Urlaub! Fast 12 Monate bin ich nun schon ununterbrochen in der Charterfahrt unterwegs gewesen. Fast ein Jahr Europa nicht gesehen. Mittlerweile sind 237 arbeitsfreie Tage bei mir aufgelaufen. Entscheiden konnte ich nun, ob meine Ablösung in Marseille oder Teneriffa erfolgen sollte. Ich entschied mich für Letzteres.
Ein erholsamer Spaziergang am ersten freien Arbeitstag, nach langer Zeit am ersten Abend, mündete in einem kleinen Fischrestaurant in Nähe des Yachthafens. Die Welt ist ein Dorf- wen treffe ich hier?
John, den Skipper John und Familie. Welch ein "Hello". Welch Zufall. Mehrfach hatte ich ihn mit seiner Segeljacht schon in der Karibik getroffen. Ausgeholfen mit Trinkwasser und Proviant, für Segler das begehrte Duschen bei uns an Bord eines Containerschiffes inbegriffen. Es gab viel zu erzählen...
John war Südafrikaner und war leitend in einer grossen Werbeagentur in Capetown tätig. Seine Frau war Dozentin für Sprachen, Ethnologie und Biologie. Die beiden Kinder, ein Junge und ein Mädchen, im Alter von sechs und sieben Jahren. Aus einer weinseeligen Laune heraus, ließ ich mich zum Frühstück am nächsten Morgen auf sein Boot einladen und versprach Brötchen aus meinem Hotel mitzubringen. Das war der Auslöser...ursprünglich ging morgens mein Flieger nach Hamburg.
Pünktlich bin ich dann am nächsten Tag mit dem Gewünschten im Yachthafen eingetroffen. An Bord seines Bootes lernte ich dann die beiden Crewmitglieder für seinen nächsten Törn kennen, die mir auf Anhieb menschlich sympathisch waren. Da war Patrick, Anfang 30, ein gelernter Seemann und Fischer aus dem Norden Irlands, der als Bootsmann fungieren sollte. Dann war da noch Gaby, Mitte 20, eine gelernte Krankenschwester aus dem "Groote- Schuur-Krankenhaus" in Kapstadt , dort wo damals Prof. Barnard die erste erfolgreiche Herztransplantation der Welt vorgenommen hatte.Sie wollte nach diesem Törn in die USA und Medizin studieren. Gaby stammte aus Windhuk und sprach etwas deutsch, ihre Mutter stammte aus Königsberg.
Den Tag verbrachte ich an Bord und ging Patrick zur Hand, verstaute Ausrüstung und wir gingen Ersatzteile einkaufen. Die Zeit drängte, übermorgen in aller Frühe sollte es in Richtung Karibik, Martinique und Guadeloupe, losgehen. Am Abend dann die Frage: "Haste nicht Lust mitzukommen?" Hatte ich schon- Bedenkzeit bis nächsten Tag. Alles Andere ist schnell gesagt, Hotel ausgecheckt, paar Telefonate,Gepäck bei Freunden deponiert und Klamotten und persönlichen Bedarf für den Törn gekauft. Mittags 12 Uhr, dann als Crewmitglied aufgenommen......
Atlantik! Weit und blau liegt er vor mir. Etwas Schwell, ansonsten wie ein Ententeich. Kreischend verfolgen uns die Möwen und stürzen sich ins Kielwasser. Je weiter wir uns von der Insel entfernen, desto weniger werden es. Bald werden sie von fliegenden Fischen abgelöst, die man von Deck sammeln muss. Meinen Träumereien kann ich nicht lange nachhängen, der Skipper zieht die erste, von vielen darauffolgenden Schiffssicherheitsübungen durch: "Mann über Bord". Merke dabei, ein verantwortungsvoller Skipper und viele Paralellen zur Berufsschifffahrt, so wie viele Abläufe an Bord geregelt werden. Übernehme zu Anfang die Hundewache-0-4 Uhr. Erstmals erlebe ich dabei, welche Eindrücke der Natur durch ein stampfendes Riesenschiff auf dem Meer einem verloren gehen. Tümmler, so dicht, daß man sie streicheln könnte. Auf dem Bauch liegend, auf dem Vorschiff, die Bugsee funkelnd und glitzernd. Manchmal zieht ein Hai vorbei. Wir ergänzen die Speisekarte mit geangelten Fisch. Nachts, der Sternenhimmel und nur das Rauschen des Windes. Durch Plankton ziehen wir eine leuchtende Fahrtlinie hinter uns her. Manchmal gesellt sich dann ein Crewmitglied zum palavern zu mir, über Gott und die Welt.
Ansonsten normaler Bordbetrieb. Die Frau des Skippers gibt ihren Kindern Schulunterricht, Kombüse kommt jeder mal dran- ausser dem Skipper. Wetterberichte werden analysiert, Routen abgesteckt, Lesen, Schlafen. Als eine riesige Wolkenbank sich kräftigst abregnet, spannen wir eine Plane und fangen Regenwasser ein. Dabei tanzen wir wie kleine Kinder auf dem Vorschiff und "duschen". Abends erzählt jeder mal was aus seinem Leben, seinem Heimatland und Patrick überrascht mit seinen Instrumenten und Gesang. Etwas Sturm ist auch mal dabei, gehört wohl dazu. Dann steigen die Temperaturen, wir nähern uns Guadeloupe.
Zielhafen: Pointe-a-Pitre..
Ein Bericht über die Inselwelt der Karibik würde jetzt den Rahmen sprengen. Es wurden alle Klischees bedient und individuell übertroffen. Nachtfahrten unter tropischem Nachthimmel, ankern in malerischen Buchten oder dort, wo die Einheimischen ein paar Hütten stehen hatten. Schnorcheln in kristallklarem Wasser, Grillen auf einsamen, unbewohnten Inselchen. Kreolische Küche. Karibikrythmen. Noch intensiver lernte man Land und Leute kennen, konnte Orte besuchen, wo sonst die Zeit nicht dafür ausreichte. Wasserfälle, Vulkane und die Städte, die deren Eruptionen zum Opfer fielen. Das traf auch auf der Insel Martinique zu, die ich sonst nur für 3-4 Tage frequentierte. Wir versegelten von Guadeloupe nach Fort- de- France/Martinique.
Von Martinique aus führte uns der Törn dann noch an die Gestaden Südamerikas. Es ging nach Cayenne in Frz.Guayana. Vorbei an der berüchtigten "Teufelsinsel", dessen Kerker wir besichtigten. Hier waren wir auch noch einige Tage im Amazonasdelta aktiv. Mit dem Dinghi ging es in die zahlreichen Seitenarme des Flußes und wir erlebten eine einzigartige Fauna und Flora. Wir trafen mit Indianern zusammen und besuchten Vietnamesen, die sich hier ihre neue Heimat aufbauten. Mir war vorher nur der Hafen Cayenne und die Hauptstadt Kourou bekannt. Nun sah ich etwas mehr von der einzigartigen Natur dort. Hier endete dann auch mein Segeltrip und unsere Wege trennten sich. Ich verblieb noch zwei Tage in Kourou bei Freunden die dort im Raumfahrtzentrum tätig waren. Dann bestieg ich den Flieger Richtung Frankreich- ein Inlandsflug. Es war für mich ein einmaliges Erlebnis, daß ich nie vergessen werde. Wenn ich heute manchmal in der dänischen Südsee segel oder mit einem Kajütboot auf dem Shannon oder Erne in Irland unterwegs bin kommen die Erinnerungen.... Man könnte ein Buch dazu schreiben.
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