Jambo !
Erinnerungen an meine erste Westafrikareise sind gar nicht so selten.Ein Blick auf ein paar Mitbringsel aus dieser Zeit zieren noch die Wohnzimmerwand oder sind stumme Zeugen in der Schrankwand. Geschenke von Agenturen,Schiffshändlern oder Stauereien. So manche Holzmaske hat man staunend bei ihrer Entstehung beobachtet,bei anderen rituellen Holzplastiken erinnert man sich noch an den beliebten, immer wieder für Abwechslung sorgenden,"Tschinschvorgang".
Meine erste Reise in Richtung Afrika absolvierte ich nach ein paar vorhergehenden Mittelmeer-Reisen mit der "Altmark". Afrika war für mich als junger Seemann der erste Inbegriff von weiter Ferne.Ein Kindheitstraum,den ich fast verpasste.Vielleicht ist mir auch deshalb diese Reise so erinnerlich.
Der Reiseverlauf war: Rostock- NOK- Hamburg- Rotterdam- Antwerpen- Dakar- Banjul/Bathurst- Freetown- Monrovia- Abidjan- Tema- Doula- Lagos- Gent- Wismar.
Nachdem ich Anfang Januar 1974 in Latakia abgelöst und über Damaskus nach Hause geflogen bin, waren gerade knapp 4 Wochen Urlaub vorbei.Geplant war,noch eine Reise von ca.3 Monaten auszusetzen um meine freien Tage abzubauen.Mitten in der Karnevalszeit,deren Festivitäten ich in der Studenten-Mensa in der Südstadt/Rostock im Freundeskreis beiwohnte, erfuhr ich, dass mein Dampfer "Altmark" Kurs auf Rostock nimmt und nicht wie gewohnt Wismar anläuft.Rosenmontag in den Knochen, fahre ich Dienstag vormittag in den ÜSH und besuche die Besatzung meines Brotschiffes.Hatte schon ein paar Eintrittskarten für Dienstagabend Mensa für paar Besatzungsmitglieder besorgt.An Bord kommt mir fluchend meine Urlaubsvertretung entgegen. Als alter Afrikafahrer wollte er die Levante mit der "Altmark" abklappern.Fehlplanung .Das Schiff hat aktuell eine Westafrikareise verpasst bekommen.
Mensch,da wollte ich doch mit.Hoch zum Alten.Klärt das mit der Arbeitskräftelenkung.Hier läuft das reibungslos.Er mustert ab,ich für die Reise an.Wir machen Übergabe.Ein intensiver Mittagsschlaf und dann ein Starter in Form von "Hafenbräu".Gegen Abend zieht dann eine Gruppe DSRler in Richtung Mensa in Erwartung der dort vertretenen holden Weiblichkeit.Ein schöner Abend für alle.Gegen Morgen stecke ich die Jungs am Bahnhof in die Taxis Richtung Überseehafen und selbst trete ich den Heimweg an.
Durch mein Gewusel beim Packen meiner Klamotten für die Reise wird meine Mutter wach.Als ich ihr vorsichtig verklickern wollte,dass ich jetzt den Urlaub abbreche und nach Afrika fahre,hatte sie eher die Auswirkung meines letzten Drinks als Auslöser dieser Aussage in Verdacht.Dann bemerkte sie die Ernsthaftigkeit meiner Aussage und weckte die Familie.Ein Abschied in den Morgenstunden für knapp 4 Monate erfolgte dann...
Post hatte im Leben eines Seemanns damals einen sehr hohen Stellenwert.Das hochtechnisierte Kommunikationszeitalter war noch nicht eingeläutet und die Möglichkeit der Verbindung mit der Heimat noch stark eingeschränkt.Erwartungsvoll waren immer die Augen auf die Mitarbeiter der Agenturen z.b. gerichtet ob diese Post dabei hatten. Der Funker bzw. ein Nautiker verteilte dann schnellstens die Post an die Besatzung. Lange Gesichter bei denen die keine bekamen,die anderen verzogen sich mit ihren Briefen meist in die Kammer bzw. an einen ruhigen Ort. Oft konnte man anschliessend an den Gesichtern danach ablesen,welche Emotionen diese Post hervorrief. Mitunter auch Unverständnis bei Angehörigen Zuhause, wenn die Post,die oft an einsamen Seetagen von den Besatzungsangehörigen verfasst wurden,in der Heimat nicht ankamen. Genauso umgekehrt.
Auf unserer Karnevalsfeier in der Mensa haben damals zwei Freunde von mir intensiv fotografiert.Ist doch klar,dass man Interesse an Fotos der neuen Eroberung und auch Bilder der Veranstaltung haben wollte.Auf meine Freunde war Verlass.Gab ihnen zwei Agenturadressen in Westafrika und die Fotos sollten schnellstens die Reise aus Rostock antreten.In unserer Erinnerung wurden an Bord die Faschingstudentinnen von Tag zu Tag immer schöner und knackiger,zwei Besatzungsmitglieder planten schon eine Verlobung bei Rückkehr.
Der erste afrikanische Hafen mit Post aus Rostock-negativ.Lange Gesichter.Der zweite Hafen ebenfalls.Ganz lange Gesichter.Meine Freunde sind Versager,unzuverlässig.Landeier eben.
In Rostock zurück,Nachfrage meinerseits.Alles ordnungsgemäss und zeitnah verschickt.Ärgerlich.Ein paar Monate später bin ich wieder in diesen afrikanischen Häfen.Diese Briefe sind nicht vorhanden.Muss man wohl als Totalverlust abschreiben.
Einen Tag vor Auslaufen fahre ich mit dem Schiffshändler zum Agenturgebäude.Im Eingangsbereich befindet sich ein schmuddliges Büro, in dem ein in Operettenuniform gekleideter Schwarzer an einem Schreibtisch vor sich hindöst.An einer Holzplatte an der Wand erblicke ich,zwischen Zetteln und anderen Papierfetzen,so ca. 12 Schwarz-Weiß-Fotos. Beim näheren Hinschauen erkenne ich unsere vermissten Fotos.Unsere Mädels in aufreizender Karnevalskleidung haben hier unfreiwillig regen Anklang gefunden.
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