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Lumpenball

Lumpenball-Reede Algier 1973

 Partylaune

Irgendwann  kam  sie  auf- die  Partylaune. Lange  war man  unterwegs, tagaus- tagein, ob  Sonntag  oder  Feiertag, verrichtete  man  bei  jeder  Wetterlage  und  in  jeder  Klimazone  seine  Arbeit. Eingebunden,  in  eine  kleine  Welt  des  Bordlebens, in  der  das  zwangsläufige  Zusammenleben  auf  engstem  Raum  eine  Gemeinschaft   bildete. Lange  war  man  von  der  Familie  getrennt  und  neidvoll  dachte  man  in  jungen  Jahren  manchmal  auch  an  die  Altersgenossen  an  Land, die  regelmässig  ins  Kino, Theater, zum  Fussballspiel ins Stadion  oder  gar  in  die  Disco  gehen  konnten. Mit  Fernsehen  war  es  auch  nicht  so  abwechslungsreich  an  Bord  (Video war noch nicht) und  nur  der  Kassettenrecorder  mit  Tonkonserve  bildete  einen  (wichtigen)  Rahmen  zum   Feierabend. Wir  mussten  also  unsere  Freizeitgestaltung  an  Bord  schon  selber  gestalten.

Stewardess als Bardame
Der Alte-Kapitän "Papa" H.
Cocktails for"Sailors"

Unser Lumpenball

Eine sehr  beliebte  Abwechslung  war  bei  uns  der  sogenannte  Lumpenball, eine  Mischung  aus  Fasching  und  Kostümfest. In  verständlicher  Ermangelung  nicht  vorhandener  Kostüme, war  schon  bei  der  Ausreise  die  Putzlappenlast  einer  der  am  häufigsten  frequentierten  Orte  potentieller  "Ballgäste". Hier  wurden  aus  den  Ballen  gereinigter  Wäschestücke, rechtzeitig  die  attraktivsten  Bekleidungsstücke  gesichert. Ein  Betrieb  wie  in einem  Theaterfundus. Mit  viel  Phantasie  wurden  diese  Beutestücke  dann  im  weiteren  Verlauf  der  Reise  "veredelt"  und  dem  jeweiligen  Körpervolumen  angepasst- wollte  man  doch  bei  der  bevorstehenden  Kostümprämierung  ein  gewichtiges  Wort  mitreden.
Zu  diesem  Zweck  wurden  Helme  gebastelt, ganze  Rinderknochen  präpariert  oder übertrieben  derber  Wikingerschmuck  hergestellt. Die  Stewardessen  oder  Stewards  entwarfen  die  Getränkekarten  und  waren  auf  der  Jagd  nach  neuen  Cocktailrezepten. Unsere  Bordcombo "The  Oldmärks"  traf  sich  ganz  verschwörerisch schon  Wochen  vorher, um  ein  neues  Programm  zu  diesem  Höhepunkt  einzuüben. Den  Überraschungseffekt  zu  wahren,  sogar  in  der  Luke  oder  dem  Kabelgatt. Andere  Besatzungsmitglieder  bastelten  Preise  für  die  Tombola, der  Fotozirkel  bereitete  den  Bildpressedienst  vor. Nicht  zu  vergessen  die  "Abteilung  Fress", die  einen  abwechslungsreichen  Grillabend  plante  und  bis  zu  diesem  Bordhöhepunkt,  die  eigens  von  den  Besatzungsmitgliedern  mitgebrachten  Thüringer  Bratwürste  aus  Hausschlachtung  meist  erfolgreich  verteidigte. Ähnlich  verhielt  es  sich  mit  dem  letzten  Fass  Bier.
So  fieberte  jeder  diesem  Lumpenball  entgegen, der  so  ca. einmal  pro Rundreise, alle  3-4  Monate  stattfand.

Der Playback-Sänger
Tambourin-man
Schlagzeuger

Zum Ablauf

Einen  passenden  Termin  für  unser  Fest  zu  finden, war bei  der  damaligen  Situation  in  der  Nordafrika-  und  Levantefahrt, bedingt  durch  vorherzusehende Reedezeiten, nicht  sehr  schwierig. Auf  dem  Oberdeck  am  Swimmingpool   bzw.  der  achteren  Manöverstation, wurde  je  nach  Wetterlage, die  "Festwiese"  mit  Flaggenschmuck  und  bunten  Lichterketten  ausgeschmückt. Schon  am  Nachmittag  installierte  der  E-Mix  die  notwendige  Elektrik  und  Lautsprecherboxen  vor  Ort. Musik  schallte  über  Deck. Der  Storekeeper  und  Clan  bauten  den  Grill  oder  die  Räuchertonne  auf. Langsam  zogen  dann  auch  schon  die  ersten  Düfte  aus  der  achtern  gelegenen  Kombüse,  vom  frischen  Brot  und  den  Knoblauchsaucen  über  Deck. Fiel  der  Termin  dieser Party  auch  noch  auf  einen  besonderen  Feiertag, was  meist  der  Fall  war, wurde  sogar   über  die  Toppen  geflaggt.

Wer Brand hat...
Tanzfüsse vorbereiten...

Der gemütliche Teil 

Beginn  des  Grillabends  war  meist  gegen  18  Uhr, damit  die  Wachgänger  auch  mit  einbezogen  werden  konnten. Um  19  Uhr  war  dann  der  langersehnte  Faßbieranstich. Das  war  damals  garnicht  so  selbstverständlich  an  Bord  unserer  alten  Dampfer. Viele  freiwillige  Helfer  fanden  sich  daher, wenn  es  darum  ging, daß  gekühlte  Faß  aus  den  Tiefen  des  Schiffes (der Gemüselast), an  Deck  zu  wuchten. Nach  den  zahlreichen  Tipps  zum  Anstich, alle  waren  dann  sachkundig, wurde  das  erste  Glas  wie  eine  Kostbarkeit  gegen  die  Sonne  gehalten. Es  hätte  ja, welche  Katastrophe,  trübe  sein  können. So, nun  Bier  ab  (ausser  Wachgänger  natürlich)  und  Steaks, Spiesse  und  Würste  rein.....
Eine  Grundlage  bis  zur  Bareröffnung  musste  geschaffen  werden.
Gegen  20  Uhr  öffnete  dann, lange  sehnsüchtig  erwartet, die  Cocktailbar. Je  nach  Jahreszeit,  an  Deck  oder  im  Clubraum. Dann  fieberte  jeder  dem  Auftritt  der  "Oldmärks"  entgegen, der  gegen  21  Uhr  erfolgte. Manch  einer  besonders, weil  er  nicht  wusste, wie  er  als  Zielscheibe pointiert-bissiger  Satire,  späteren  Lachsalven  ausgesetzt  war. Aber  auch  das  musikalische  Rahmenprogramm  war  immer  Top. Applaus  und  stehende  Ovationen  waren  die  Garantie  für  die  "Künstler", daß  es  für  sie  ein  billiger  Barabend  wurde. Der  Auftritt  dauerte ca. 45  Minuten  und  die  Stimmung  war  dann  auch  auf  dem  Höhepunkt. Erstmal  Luft  holen, um  das  Zwerchfell  zu  entlasten  war  angesagt.
Danach  erfolgte  als  nächster  Programmpunkt  meist  eine  amerikanische  Versteigerung. 

Zum ersten,zum zweiten....

Versteigerung

Statt  Tombola  war  bei  uns  traditionell   immer  Versteigerung  angesagt. Kam doch, durch  diese  Art  der  Versteigerung, gut  Geld  in  die   Mannschaftskasse. Versteigert  wurden  überwiegend  von  Besatzungsmitgliedern  selbst  gebastelte  Dinge, wie  Knotentafeln, Lampen, Wandbehänge, Geschnitztes  und  Geknüpftes, gedrehte  Vasen  aus  Metall  und  Gedrechseltes. Mitunter  kamen  aber  auch  kleinere  Werbegeschenke  von  Stauereien, Maklereien  und  Schiffshändlern  unter  den  Hammer. Dieser  Erlös  wurde  dann, zusammen  mit  dem  Überschuß  des  Barbetriebes, zu  zwei  Dritteln  gespendet  für  das  damals  übliche  Solidaritätskonto  oder  einer  gemeinnützigen  Sache. Mit  der  verbliebenen  Summe  sponsorten  wir  unsere  Exkursionen  in  das  Landesinnere  unserer  angelaufenen  Hafenstädte. Auch  als  Eintrittsgelder  für  Museen, Messen  und  archäologischer  Stätten  fand  dieses  Geld  Verwendung. Bordbelange  wurden  auch  berücksichtigt, wie  Fotobedarf, Spiele  oder  Bücher  für  die  Bordbibliothek  u.ä. Wir  waren  also  durch  Eigeninitiative  nicht  ganz  knapp bei  Kasse....

Der harte Kern...

Schöne Stunden vergehen immer zu schnell

Drei  Preisträger  wurden  noch  gesucht:
Das  schönste  und  originellste  Kostüm  des  Abends  wurde  nach  demokratischer  Abstimmung  unter  großem  Gelächter  noch  gewählt. Derbe  Sprüche  und  Frotzeleien  machten  die  Runde. Mit  der  Preisvergabe  war  nämlich  auch  noch  ein  Pflichttanz  der  Preisträger  verbunden, nicht  mit  unseren  schmucken  Stewardessen, sondern  mit  ein  paar  eigens  dafür  ausstaffierten  Seeleuten. Bei  einem  Tango  a  la  Altmark, kam  es  dann  schon  mal  vor, dass  die  richtig  platzierten  Pampelmusen  dann  zur  Hängebrust  mutierten.
Ja  und, irgendwann  zog  man  sich  dann  in  den  Clubraum  oder in  die  Kammer  zurück. Der  nächste  Tag  stand  wieder  mit Arbeit  an. In  den  nächsten  Tagen  hatte  man  aber  noch  viel  zu  erzählen, man  wartete  auf  die  ersten  Fotos  und  hatte  seine  Batterie  an  Lebensfreude   etwas  aufgefüllt.
Irgendwie  freute  man  sich  schon  wieder  auf  den nächsten  Lumpenball...

Das gabs auch:

Tripolis/Libyen
Über  drei  Wochen  nerventötende  Reedezeit. Sehnsuchtsvolle  Augen  von  Seeleuten, die  dem  aus  dem  Hafen  auslaufenden  Lotsenboot  täglich  erwartungsvoll  entgegenblicken- welches  Schiff  holt  er  heute  rein. Über  UKW, daß  sterotype "Tomorrow  morning, pilot  coming." Abends  nochmal  Anfrage, im  Dunkeln lotste  man  dort  sowieso  nie, der  gleiche  Satz.
Hurra, Lumpenball  nicht  gefährdet!!
Ca.22 Uhr
Positionslichter  eines  Lotsenbootes  am  Horizont, stramm  Kurs  auf  einen  Engländer, Reedeplatz  halbe Meile  weg  von  uns. Fährt  dort  an  die  Gangway  ran, dreht  stramm  ab, Kurs  "Altmark". Auf  halber  Distanz  dann: "Captain,  german  vessel  Altmark, Anchor  up- pilot  coming." Nur  ein  Insider  kann  sich  wohl  vorstellen, was  da  in  wenigen  Minuten  bei  uns  an  Bord  ablief. Maschine  hochfahren, Manöverstation  räumen, die  wichtigsten  Leute  an  Bord  mussten  in  affenartiger  Geschwindigkeit  sich  erstmal   ihres  Kostüms  und  Schminke  entledigen. Nicht  jeder  schaffte  das  so  schnell  und  der  Lotse  der  dort  an  Bord  kam, dachte  wohl  er  ist  auf  einem  Piratenschiff  gelandet. Ja, der  faßte  es  als  Provokation  auf  als  einer von uns  noch  als  Pirat  mit  Augenklappe  umherlief. Moshe  Dayan  war  damals  der  meistgehaßte  Mann  in  der arabischen  Welt . Der  Alte  musste  dafür  verdammt  tief  in  seine  Bakschisch- Kiste   greifen. Ja, nebenbei  hatte  man  noch  ein  angezapftes  Faß  Bier  und  eine  Cocktailbar, bestückt  mit  diversen  Spirituosen. Damit  sollte  man  nicht  unbedingt  in  Gadaffis  Machtbereich  auftauchen, zum  Ramadan  schon  garnicht...
Problem  aber  gelöst- geht  nicht, gibts  nicht!!

Auszüge aus Barkarten der Altmark

Nicht vergessen-Frachtschiff!!
...der Rest unleserlich,warum wohl?
Seefahrt wie Urlaub...

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