Das Jahr 1966:
Karume befand sich noch auf dem Höhepunkt seiner Macht. Drei Tage nach dem Empfang auf Sansibar versegelten wir den Katzensprung nach
Dar es Salam.
Ich ging mit meinem Chief an Land. Mit seiner untersetzten Statur, kleines Bäuchlein und schmaler Goldrahmenbrille, einer gewissen Bedächtigkeit, hatte er etwas aristokratisches an sich. Um ihn von seinen zahlreichen Namensvettern in der Company zu unterscheiden, hatten wir ihm den Beinamen "Baron" gegeben. Wo wir auch hinkamen, jeder Kellner präsentierte zuerst ihm die Rechnung. Wir amüsierten uns schon immer. Obwohl er also nach Geld aussah, dass er aber nicht hatte, machte das auf die Damenwelt keinen Eindruck.
In Massawa (Eritrea), in einem Dachlokal kam seine Tanzpartnerin ganz empört zu mir, wohl weil er sie nicht verstand, denn sein Englisch war noch "verry little", wofür wir sie hielten,was sie mit so einem Kerl anfangen sollte.
"Wieso, was gibts denn?"
"Der hat nur so einen ganz Kleinen!" wobei sie zwischen Daumen und Zeigefinger ca. 1,5 bis 2 cm anzeigte. "Woher willst du das schon wissen ?" fragte ich. "Na, ich habe beim Tanzen extra noch mal richtig hingefasst und kontrolliert- so einen Kleinen!" und sie zeigte noch einmal. "but he has money" versuchte ich sie nochmal auf ihn zu hetzen. "Okey money, Geld ist aber nicht das Wichtigste, ich will auch mein Vergnügen haben! einer meiner Landsleute hat 20 Kamele für mich geboten, aber ich habe gesagt : NO, ich mag den Kerl nicht!!
War es das, dass der den sie vielleicht gehabt hätte keine 20 Kamele zu bieten in der Lage oder nicht bereit war oder mein spöttisches Gesicht, daß sie mich plötzlich anfuhr: "Bin ich etwa keine 20 Kamele wert?".
Natürlich wollte ich sie nicht beleidigen. Bevor ich etwas erwidern konnte stand sie auf und verließ uns resigniert. Den Brautpreis in Kamelen zu zahlen gehört zur eriträischen Leitkultur.
Mein jeminitischer Matrose Achmed K. hatte mir auf meine Frage nach seinem Verhältnis zu Ali Schafret, der gerade seine Patentprüfung in Wustrow abgelegt hat, erklärt: "Wir sind vom gleichen Vater, aber von verschiedenen Müttern- aber meine Mutter gehören die meisten Kamele!" Vier Frauen zu ehelichen gehört eben auch zur islamischen Leitkultur.
Nach erfolgreichen Umsturz in Sanaa hatte es Achmed eilig in die Heimat zurückzukehren. Ich hielt ihm vor, er habe mir doch erzählt sein ältester Bruder sei Generalsstaatsanwalt des Königs und so müsse er doch mit Verfolgung rechnen. Er antwortete: "Ach wissen sie,wir sind eine grosse Familie und haben auf jeder Seite unsere Leute. Da kann nichts passieren."
Wenn ich heute im TV die grinsenden Visagen der Gebrüder Hans-Joachim Vogel(SPD) und Bernhard Vogel(CDU) sehe, muß ich immer an meinen ehemaligen Matrosen Achmed Karby von der "Altmark" denken.
Wir überquerten die Plaza. Den Mittelpunkt bildet das Denkmal eines stürmenden Askaris aus dem I. Weltkrieg. Es hieß, er präsentiere jedesmal sein Gewehr, wenn eine Jungfrau den Platz überquere. Leider habe er noch nie präsentiert. Er präsentierte auch heute nicht.
Wir winkten ein Taxi: "Sindbad Nightclub, please." Der driver hatte es schnell heraus: "You are germans?! German very good!"
"Was ist gut an German?"
"Die Deutschen haben viel getan, Eisenbahnen gebaut und Straßen, Fabriken und Häuser. Die Briten haben nicht investiert, die haben nur ausgebeutet. "Es wäre wohl sinnlos gewesen, ihm klarmachen zu wollen, daß die Deutschen auf Grund ihres verlorenen Krieges garnicht mehr dazu gekommen sind die Früchte ihrer Investitionen zu genießen. Ebensowenig den Unterschied zwischen dem Status einer Kolonie und eines Völkerbund-Mandats. Also begnügten wir uns pragmatisch mit dem Kredit an Reputation, den wir Deutsche hier noch genossen.
Trotzdem konnte ich mich nicht enthalten noch einmal nachzuhaken: "And what`s about Hange-Peters?"
"Peters? Oh very good man! Unter den Deutschen herrschte hier eine harte aber gerechte Justiz. Korruption, Diebstahl und all sowas gab es unter den Deutschen nicht, das haben alles erst die Briten mitgebracht und hier eingeführt.!"
Warum er denn soviele aufgehängt habe, wußte er auch nicht. Es gäbe eben immer Unzufriedene. Der Mann war zwar schon etwas älter als wir, aber auch wiederum nicht so alt wie der Bürgermeister von Zanzibar, das alles noch selbst miterlebt haben zu können. Wir schrieben das Jahr 1966 und es war schon immerhin 48 Jahre her, daß Lettow-Vorbeck hier hatte aufgeben müssen. Im Gegensatz zu Namibia, waren hier auch nicht einmal eine handvoll Kolonisten, deutsche Siedler zurück geblieben.
Beachtlich, wie sich die Geschichte in der Erinnerung eines Volkes verklären kann. Ob unsere Urenkel in 50 Jahren auch einmal sagen werden: "Oh, Honecker? Very good man! Bei dem hatten alle Arbeit.".....und vergessen haben werden, daß es keine Bananen gab und man 14 Jahre auf ein "Trabbi" wartete? Später wird ein Bundespräsident Herzog feststellen: "Geschichte verblasst schnell, wenn sie nicht Teil eigenen Erlebens war". Erhalten werden sich immer nur Legenden, die Däniken so definiert: "...das unscharfe Gedächnis, das vage Vermächtnis der Vergangenheit an die Zukunft."
Es war zwar schon dunkel, aber noch keine 21.00 Uhr und das Lokal noch fast leer. Wir hatten noch die Platzwahl. Nach uns betraten noch zwei Paare, offenbar aus einer Familie den Club. Sie suchten sich einen größeren Tisch in der Nähe aus und einer der Männer kam zu uns herüber. Er begrüsste uns mit Handschlag und lud uns an ihren Tisch ein. "Erkennst Du mich nicht wieder?" fragte er mich" ich habe doch erst vor drei Tagen bei Dir an Bord diniert! Ich bin doch der financial-minister of Zanzibar." So genossen wir diesen Abend, die Show und unseren "Whisky on the Rocks" sicher auf Kosten de Staatskasse von Zanzibar!!.
Worüber wir mit den Gastgebern alles palavert haben an diesem Abend, weiß ich leider heute nicht mehr.
Text mit freundlicher Genehmigung und dem Copyright von Gerd Stange- ehemaliger Kapitän des MS"Altmark".
![]() |
![]() |
![]() |
"Hänge-Peters": Gemeint ist hier Dr. Carl Peters (1856-1918), deutscher Politiker, Publizist, Afrikaforscher und Kolonialist, der mit rassistischer Grundeinstellung und exessiver Gewalt Deutsch-Ostafrika begründete.
Sein brutales Vorgehen in Afrika bescherte ihm den wenig schmeichelhaften Spitznamen "Hänge-Peters", bzw. in der Landessprache "Mkono-wa-damu"- der Mann mit den blutigen Händen.
C.K.
© 2006-2025 by Clemens Külberg - Hamburg