Oft hat man als Seemann nur ungläubig den Kopf geschüttelt. Man fuhr mit lebensnotwendigen Ladungen in Gebiete, die von Epedemien heimgesucht oder durch Naturkatatrophen und Kriege verwüstet waren. Nahrung, Medikamente und überlebenswichtige Ausrüstungen. Gespendet von Staaten, der UNO, dem Roten Kreuz/Halbmond und den zahlreichen privaten internationalen Initiativen wie "Brot für die Welt" u.ä. Vor Ort traf man dann auf Infrastrukturen die diese dringliche Soforthilfe unmöglich machten. Es fehlte an Lagerhäusern, Kühlkapazitäten und einer Infrastruktur von Bahn und Schiene, die diese notwendigen Güter zu den Bedürftigen transportierte. Mit der Ankunft der Ladung in diesen Häfen war die Mission der Versender erschöpft, obwohl gerade jetzt die praktische Hilfe vor Ort hätte einsetzen müssen.
Es tat uns dann nicht nur in der Seele weh, wenn wir nach wenigen Wochen mitunter schon, unsere Hilfsladung immer noch an der Pier vorfanden. Säcke mit Weizenmehl, Milchpulver, Hülsenfrüchte vom tropischen Regen aufgeweicht, faulend und keimend, als Biotop für Ratten von kaninchengrösse. Halden von Milch-und Obstkonseren als Bombagen gegen den Himmel stinkend. Rotkreuz - Fahrzeuge ausgeschlachtet und demontiert. Über 100 Kühlschiffe, als Auflieger in der Bucht von Algeciras liegend und Eier, Obst und Frischgemüse, dass während der Biafrakrise vor Westafrika in den Trockenfrachtern vergammelte..
Spenden, nur für das gute Gewissen?
Musik und Essen haben etwas gemeinsam: Sie verkörpern ein Stück Nationalgefühl.
In Angola war bis 1975 dieses Nationalgefühl von der portugiesischen Kolonialherrschaft überschattet. Der „assimilado“, der an seine Kolonialherren angepasste Angolaner, sprach, sang und aß portugiesisch. Römisch-katholisch geprägt, wie das Mutterland Portugal, spielte der getrocknete Fisch" Bacalhau" bis dahin auch in Angola eine prägende Rolle in der Küche des Landes.
Dieser Trockenfisch ist auch in anderen römisch-katholischen Ländern wegen der Kirche beliebt. Zum Beispiel verbot die Kirche das Essen von Fleisch an vielen Tagen (Freitag, kirchliche Feste, Fastenzeit, Weihnachtsessen), und so war während der Kolonialzeit dieser Dörrfisch für den Angolaner eines der Hauptnahrungsmittel .
1975 endete die portugiesische Kolonialzeit in Angola. Nach schweren militärischen Auseinandersetzungen hinterliessen die ehemaligen Kolonialherren ein zerstörtes Land in dem es in allen Bereichen mangelte und das Volk hungerte. Erst langsam, im Rausch der neu erkämpften Freiheit, verschaffte die nationale Unabhängigkeitsbewegung der einheimischen Küche und Kultur wieder Raum. Angolanische Nationalgerichte wie "funje" oder "feijao" (Bohnen) waren während der Besatzungszeit verpönt und die dazugehörige Musik der "bongas" (Trommeln) als primitiv verrufen. Nun brach langsam in Angola eine Zeit an, dass ein Sonntag ohne „funje“ irgendwie ein verlorener Sonntag war. Erst in den Städten, im Landesinneren brauchte es noch seine Zeit. Die angolanische Nationalspeise ist „funje“. Der glasig-zähe Brei aus Mais- oder Maniokmehl ergänzt als neutrale Beilage fast alle Gerichte des westafrikanischen Landes: „Funje“ schmeckt zu Fleisch in Tomaten-Gemüse-Soße ebenso wie zu Bohnen in Palmöl, Dörrfisch mit Maniokblätterspinat oder Hähnchen in Erdnusscreme. Essen und Musik als prägender Nationalstolz. Ein Land im Aufbruch.
In diese Aufbruchstimmung in Angola liefen dann die Spendenlieferungen der DDR an. Als Solidaritätsgüter klariert und durch freiwillige Finanzierungen erbracht, verbrachte die DSR in dieses Land materielle Unterstützung jeglicher Art. Vorrangige Lieferungen waren in der Anfangszeit auch Lebensmittel um den Hunger einzudämmen. So belud man u.a. im ÜSH Rostock schnellstens ein Poseidon - Schiff mit Nudeln/Teigwaren aller Art aus Waren/Müritz als erste Hilfe. Es wurden solche Mengen verschifft, dass es zeitweilig zu Versorgungsengpässen in der DDR kam.
Vor Ort - Luanda:
Ein Land das gerade seine kulinarischen Wurzeln wiederentdeckte, wird mit einer damals unbekannteren Art Lebensmittel konfrontiert: Nudeln, in allen Formen, Spaghettis, Makkaronis, Spirellis, Bandnudeln, Sternchen usw. Nie gesehen, kaum bekannt und daher unbeliebt. Mehr noch, man befürchtet wieder seine nationale Eigenständigkeit in der Küche zu verlieren. Nach dem portugiesischen Dauer-Bacalhau, jetzt Nudelterror. Man verhält sich dieser Ladung dementsprechend vor Ort. Die Kartons werden in den Luken aufgerissen, der Inhalt zertrampelt und mit Flüssigkeiten unbrauchbar gemacht. Ein Teil verrottet an der Pier, verliert sich beim Transport oder wird durch Unkenntnis und Abneigung nie verwendet.
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