Ein Handelsschiff, mit der damals üblichen Besatzungsstärke von ca. 32 bis 40 Seeleuten (einschließlich Passagieren), benötigte für eine Reisedauer von ca. 100 Tagen folgende Grundausrüstung an Lebensmittel:
Diese Grundausrüstung wurde , je nach Fahrtgebiet und Möglichkeit, durch Zukäufe frischer Lebensmittel, wie Obst, Gemüse, Frischfisch und Molkereiprodukte kontinuierlich ergänzt.
Hinzu kommen aber auch noch andere wichtige Artikel, die nicht fehlen durften:
"Wer in einem Jahr 8000 Schiffe aus 34 Ländern abfertigt, der weiß um die Wünsche der Fahrensleute von vielen Kontinenten. Eben darum geht es dem VEB Schiffsversorgung, den Chip-chandlers, im Rostocker Überseehafen und in anderen DDR-Häfen.
Mehr als 8000 große und klein Pötte jährlich-das sind jeden Tag über 20 Logger, Tanker, Massengutfrachter, Frucht-, Urlauber-, Fang- und Verarbeitungsschiffe und diverse andere. Schnell wie der Rostocker Hafen und unsere Flotte wuchs auch der im Januar 1959 gegründete VEB Schiffsversorgung: Im Gründungsjahr fertigte man einschließlich der Fischerei nur rund 2000 Schiffe ab.
Die Schiffsversorgung ist ein Generalausrüster. Hier bekommen die Seeleute neben Proviant, seemännischen und technischen Ausrüstungen auch Transitware und Seenotverpflegung. Es wird alles gehandelt, was Gaumen und Magen sich wünschen. Immerhin nimmt ein 10 000-Tonner für eine sechs Monate währende Reise fünfzehn bis zwanzig Tonnen Proviant mit. Ein Urlauberschiff benötigt für eine dreiwöchige Fahrt 60 bis 80 Tonnen.
Bunt ist auch die Palette der seemännischen und technischen Ausrüstungen. Rund 8000 Artikel stehen zur Auswahl: Drahtseile, Tauwerk, Signalflaggen, Werkzeuge, Farben, Bürobedarf etc. und zur Weihnachtszeit Tannenbäume und Christbaumschmuck usw........"Soweit die offizielle Darstellung.
Obwohl man sich von Seiten der Schiffsversorgung sicherlich immer die grösste Mühe gab, den vielfältigen und mitunter sicherlich auch ungewöhnlichen Wünschen der Schiffsbesatzungen zu entsprechen, gab es doch oft von Seiten der DSR- Seeleute verständnisloses "Kopfschütteln". Das trat immer dann ein, wenn irgendwelche banale Artikel einfach nicht lieferbar waren. Auch die damaligen "Chip-chandlers" waren den allgegenwärtigen chronischen Lieferengpässen unterworfen. Das war auch nicht mit außergewöhnlichem "Organisationstalent" zu überspielen. Diese Situation war es aber, die der Schiffsversorgung, den spöttischen Beinamen "Schiffsversenkung" seitens der Seeleute verpasste.
Es war "Hein Seemann" einfach unverständlich, daß ein Schiffshändler bereits im September ein seegehendes Schiff, mit einer kompletten Weihnachtsausrüstung vom Tannenbaum bis zum Dresdner Stollen ausrüsten konnte, andererseits aber nicht in der Lage war einen simplen elektrischen Wasserkochtopf oder ein bestimmtes Ersatzteil zu liefern. Es ließ schon am gesunden Menschenverstand zweifeln, wenn man diese Artikel dann bei Zerssen & Co. im Kielkanal für teure und knappe Valuta einkaufen musste. Wenn man dann bei dem Wasserkocher der Marke "Privileg"das Kürzel "made in GDR" und bei dem eigens georderten Tieflader mit dem dringend benötigten Maschinenersatzteil, das Magdeburger KFZ-Zeichen und die dazugehörige Maschinenbaufabrik lesen konnte, war die Verständnislosigkeit nicht mehr zu toppen. Irgendeine Firma hatte ihren Valutaplan erfüllt....
Auch andere Situationen waren es, die diese Art Haßliebe zwischen Seemann und Schiffsversorgung ausmachten. Wenn z.B. im Hochsommer, mittags bei über 30 Grad, die benötigten 15-20 t Lebensmittel angeliefert wurden. Während des Lade- und Löschbetriebes an der Pier und Schiff, abgestellt auf Paletten unerreichbar für Kran und eigenem Ladegeschirr, zwischen Auspuffgasen und Schienenverkehr, sowie "neugierigen" Hafenarbeitern.Flatternde, weggewehte Abdeckplanen, die vormals über frischen Schweinehälften, Rindervierteln und gefrorenen Hammeln lagen....
Zwei Mann, die dann diese glitschigen Teile den Fliegenschwärmen entreissen mussten, slalomlaufend an der Pier, die steile Gangway herauf und dann,die engen Niedergänge herunter, bis in die Kühlzellen in den Tiefen des Schiffsbauchs. Frischfleisch für Monate, Gemüse, Obst, Konserven und Getränke, Spirituosen und Dauerwürste verlasten, die auch gerne den Besitzer auf diesem Weg schon gewechselt hätten. Terminkollisionen mit den "Chip-Chandlers", die es damals einmalig auf der Welt fertigbrachten, den im Hafen liegenden Schiffen täglich zum Frühstück bis an die Gangway, frische Milch und Brötchen anzuliefern.
Wir sehen hier einen Lieferschein der Schiffsversorgung Rostock. Diese Bestellung wurde vom heimkehrenden Schiff kurz vor Einlaufen im Heimathafen über Funk/UKW aufgegeben.
Bestellt wurde für die anstehende Hafenliegezeit die Menge an Brötchen und Vollmilch die allmorgendlich bis an die Gangway angeliefert wurde. Dieser Lieferservice wurde auch allen ausländischen Schiffen in DDR-Häfen von der Schiffsversorgung Rostock angeboten und auch genutzt.
Ersichtlich wird bei dieser Bestellung ebenfalls, dass die auf den Schiffen befindliche Getränkeoase wohl ziemlich "leergefahren" war. Aus diesem Grunde die Anforderung nach neuen Getränkekonzentraten.
Die Frischobstbestände waren sicherlich auch schon an Bord dezimiert, so dass man zur Überbrückung erstmal eine Kiste Äpfel orderte.
Der Grundgedanke dieser Hafenbestellung war es u.a., eventuelle Engpässe bei dem vorhandenem Bordproviant nach Reiserückkehr für die Hafenliegezeit kurzfristig zu überbrücken.
Nach wenigen Tagen wurde dann im Basishafen Rostock, Wismar oder Stralsund, dann die Neuausrüstung des Schiffes für die kommende Reise durch die Schiffsversorgung vorgenommen.
© 2006-2024 by Clemens Külberg - Hamburg