Wir waren abgeschnitten von allen Informationen. Ein Störsender und der militärische Funkverkehr machten den Radioempfang unmöglich. Unsere Funkstation versiegelt. Als Schiffsleitung beschlossen wir unser Schiff bestmöglichst zu sichern. Wir stellten Kriegszustand für zivile Seefahrzeuge her. Verschlußzustand herstellen-Panzerblenden runter, CO2-Anlagen besetzen, Löschschläuche auslegen, Chemietrupp in Bereitschaft, alle Bulleys wurden mit blauer Farbe abgedunkelt, die Rettungsboote hingen auf Slip und die Schwimmweste wurde am Mann getragen, veränderter Wachturnus,Leckwehr vorbereiten,Löschsand und Löschmatten bereit,Löschtrupp aktiviert u.ä. Maßnahmen.
Bei diesen Maßnahmen kam uns zu Gute, daß wir zahlreiche gediente Reservisten verschiedener Waffengattungen mit speziellen Ausbildungen und Erfahrungen an Bord hatten. Mit der sehr guten seemännischen Ausbildung bei der DSR kombiniert, eine gute Mischung. Die Disziplin war sehr gut, keiner drehte durch. Schlafdefizit machte sich bemerkbar. An Auslaufen war nicht zu denken, wir waren ein gewisser ziviler Schutz für den Hafen und wohin wollten wir auch in diesem Kampfgebiet.
Am Vormittag des 7.Oktobers kamen ein paar Behördenboote durch die ölige Brühe und mit Wrackteilen übersäte Reede zu uns gefahren. Ein paar Uniformierte kamen an Bord. Wir erfuhren vom erfolgreichen Vormarsch der syrischen Truppen am Golan und überhaupt erst vom Kriegsbeginn.Stolz berichtete ein Zöllner von der Teilnahme seiner vier Söhne bei der Panzertruppe dort. Später erlebte ich den gleichen Mann in tiefer Trauer gebeugt, als er fast täglich einen Sohn verlor und zum Ende des Krieges keiner seiner Söhne überlebte.
Die nächsten beiden Tage waren lediglich durch Luftabwehr und israelischen Aufklärungsflügen gekennzeichnet. Trotzdem war nach den jüngsten Erlebnissen bei uns psychische Anspannung und eine unterschwellige Bedrohungssituation vorhanden. Das Informationsdefizit nervte. Ich fuhr mit dem Lotsenboot an Land. Beim Makler konnte ich im syrischen Staatsfernsehen in schwarz-weiß, untermalt mit Heldenliedern, die ersten Gefangenen und abgeschossenen israelischen Piloten sehen.Die dort gezeigten Landkarten vermittelten mir erstmalig die Dimension dieses Krieges. Die Luftschutzsirenen riefen Gänsehaut hervor, zweimal musste ich bei Luftalarm die Schutzräume aufsuchen.
Am 10.Oktober tauschten wir dann unseren Liegeplatz auf Reede mit einem japanischen Frachter, der uns im Gegenzug an die Pier im Hafen lassen musste. Nun lagen wir akustisch näher an der Raketenstellung auf der Landzunge, die im Rythmus von 25.min dumpf ihre Raketen seit Kriegsbeginn abfeuerte. Dies konnte aber nicht verhindern, daß die am Mittag auftauchenden Punkte am Horizont sich als israelische Kampfbomber entpuppten und die Treibstofftanks im Hafen in Brand schossen. Eine andere Staffel griff das Marinehauptquartier nördlich von Latakia an. Eine riesige schwarze Rauchwolke stand über der Stadt und dem Hafen. Unbemannte Aufklärer flogen mehrfach über die Stadt und provozierten Flakfeuer und Luftalarm.
Es hätte eine Warnung sein müssen, die Luftaufklärung. In der Nacht werden alle syrischen Häfen massiv angegriffen. Vor Latakia tauchen nachts u.a. israelische Schnellboote auf und beschiessen bei heftigster Gegenwehr den Hafen und die Stadt. Im Verlauf dieses Bombardements kommt es zu massiven Zerstörungen. Der japanische 10 000 t Frachter, der vor wenigen Stunden unseren Liegeplatz einnahm, wird von einer Rakete getroffen und brennt total aus. Ein griechisches Schiff ereilt das gleiche Schicksal. Auf beiden Schiffen gibt es Todesopfer. In der Nähe unseres Schiffes gibt es auch Einschläge und Brände. Eine Rakete schlägt vor der uns schützenden Mole ein. Zum Glück müssen wir später unser Deck nur von Splittern befreien. Wären wir auf unserem vorherigen Liegeplatz geblieben.....Es folgten noch mehrere Kriegstage.
Ein paar Tage nach Beendigung der Kampfhandlungen befinde ich mich auf dem Weg nach Damaskus. Brennende Raffinerien, zerstörte Kraftwerke und Hochspannungsmasten säumen den Weg. Je näher man der Hauptstadt kommt, desto häufiger sieht man ausgebrannte Fahrzeugkolonnen und Panzerwracks. In den Olivenhainen, die man wohl als Bereitstellungsräume nutzte,sieht man nur zerschossenes Kriegsgerät.Ab und zu ein abgeschossenes Flugzeug oder das Wrack eines Hubschraubers. Wenige Kilometer vor Damaskus auch israelischer Kriegsschrott, so dicht war man also....
Traumatisierte, trauernde Menschen, denen die Schrecken des Erlebten aus den Augen sprach. Ein paar Tage unfreiwilliger Aufenthalt in Damaskus, ich sehe die Zerstörungen der Stadt. Ich bekomme keinen Flug und fahre auf dem Landweg noch einmal durch die vorher umkämpften Gebiete nach Beirut. Schreckliche Bilder. Erst in der DDR-Botschaft in Beirut tropften die jüngsten Erlebnisse etwas ab.Es löste sich eine Klammer-ganz langsam.
Befreit atmete ich aber erst auf, als mein Flugzeug in Berlin-Schönefeld zur Landung ansetzte. Ein Albtraum lag hinter mir. Ich bin zu Hause,in einem friedlichen Land. Frieden.
c.k.
Nachtrag:Für die betroffenen Besatzungen gab es eine Prämie von 10.000 Mark.Das waren pro Besatzungsmitglied ca. 350 Mark....
Fortsetzung:Kriegsreise III
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