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Mit "J.G. Fichte" 1963 in Havanna

Mein erster Landgang

Nachdem unser Schiff fest vertäut an der Pier lag, die Dienste wie Gangwaywache und Lukenwache eingeteilt waren, ging es für die meisten nun an die Vorbereitung zum ersten Landgang in Havanna. Landgang in Havanna, wie das schon klang, das war ein Gefühl als gehörte uns bereits die ganze Welt. Allerdings erfolgte davor erst einmal eine intensive Landgangsbelehrung über das Verhalten in einem ausländischen Hafen. Da waren Dinge zu beachten wie z.B. nicht mit kurzen Hosen an Land gehen, nicht allein, sondern mindestens zu zweit an Land gehen, keine illegalen Tauschgeschäfte mit Zigaretten oder Alkohol zu tätigen, keine zwielichtigen Etablissements zu besuchen, um so eventuellen Geschlechtskrankheiten vorzubeugen. Nachdem dies nun alles mit der nötigen Akribie und politischer Argumente getan war, bekamen wir ein Teil unseres Handgeldes beim Zahlmeister ausgezahlt. Das Handgeld sollte dazu dienen, dass sich der DDR Seemann, denn die DDR Mark war ja nicht konvertierbar, also sie war nur in der DDR gültig, in ausländischen Häfen in bescheidenem Umfang bewegen konnte. Hieß, Post in die Heimat zu schicken, ins Kino zu gehen oder sich hier und dort einige andere kleine Dinge leisten zu können.

Wir als Lehrlinge erhielte pro Monat auf See 2,5 US Dollar. Der Kurs war dazumal 1:4,20 DM. Stammbesatzungsmitglieder erhielten entsprechend ihrer Dienststellung deutlich mehr. Erlaubt war weiterhin, nur eine angebrochene Schachtel Zigaretten mit an Land zu nehmen. Nun konnte die eigentliche Landgangsmusterung beginnen. Es wurde kontrolliert das jeder einzelne seine entsprechende Landeswährung bei sich hatte, das man Kamm und Taschentuch sowie maximal eine besagte, angebrochene Schachtel Zigaretten bei sich trug. Wir hatten uns innerhalb unserer Lehrlingsbrigade verabredet, den ersten Landgang gemeinsam zu verbringen und es wurde uns auch empfohlen nicht alleine an Land zu gehen. 

Wir machten uns also auf in Richtung Gangway zu gehen, um uns dort der Musterung und Kontrolle durch den AOvD zu unterziehen. Kurz vor erreichen der Gangway fragte mich mein sächsischer Kammermitbewohner, ob ich mal eben seine Schachtel Zigaretten halten könnte, er müsse noch mal in die Kammer zurück, um etwas vergessenes zu holen. So ein Vorpommer Jung denkt sich natürlich nichts böses dabei und schlenderte mit den zwei anderen Lehrlingen seiner Brigade in Richtung Landgangsmusterung. Dort angekommen wurden wir auch augenblicklich dere angekündigten Kontrolle unterzogen und da der vierte Mann im Bund noch nicht wieder zurück war, befanden sich in meiner Hosentasche natürlich 2 Schachteln Zigaretten, wovon eine, nämlich die des Kollegen, noch nicht geöffnet war. Diskussion überflüssig und bevor ich einen Fuß an Land setzen konnte, hatte ich eine Woche Landgangssperre weg. Das habe ich dem Sachsen bis heute nicht vergessen. Am Ende war es nicht all zu tragisch, da wir ca. 4 Wochen zum löschen und laden im Hafen lagen. Es war also dennoch reichlich Zeit die Stadt mit der berühmten Nachtbar "Tropicana" zu erforschen.

Landgang:

Nach schon erwähnter einwöchiger Landgangssperre kam der Tag, an dem ich das erste mal cubanischen Boden betreten sollte. Vorschriftsmäßig gekleidet und nur mit einer angebrochenen Schachtel Zigaretten bewaffnet begab ich mich mit meinem Kumpel und Kammergenossen James und eilten zur Landgangsmusterung. Diesmal ohne Beanstandung und so gingen wir die Gangway bedächtig runter und, man mag es einem Sassnitzer 16 jährigen kaum glauben, standen auf cubanischenm Boden. Es roch alles ganz anders wie wir es vom Rostocker Hafen schon etwas gewohnt waren und die Sonne tat ihr übriges. Und die Autos, Cadillac, Chevreolet, Dodge und Buick fuhren laut hupend durch die Strassen, uns gingen einfach die Augen über. Ich dachte kurz daran, wie der Vater meines ehemaligen Schulkameraden einen neuen Trabant Kombi sein Eigen nannte, welch eine Sensation in unserer Strasse und nun das hier, war schon ganz schön viel für das 16 - jährige Köpfchen. 

Ungewohntes Strassenbild in Havanna

Doch nun weiter zum eigentlichen Geschehen. Da die meisten unserer Kameraden ja bereits eine Woche Landgang genießen konnten, wurde natürlich auch viel erzählt und Informationen ausgetauscht. So unter anderem schwärmten viele von einem Besuch im Bordell. Bordell mit 16 Jahren? Das hielten James und ich doch für ziemlich abenteuerlich. James, eigentlich Winfried, kam aus dem Eichsfeld, also katholisch und ich war sowieso noch die Unschuld in Person. Das bekannteste Etablissement sollte wohl ganz in der Nähe unseres Liegeplatzes sein und hatte den fruchtigen Namen "Apple Club". Dennoch beschlossen James und ich, diese Einrichtung einmal in Augenschein zu nehmen und und zu schauen, wie es dort so vor sich ging. Wie gesagt, viele unserer Kameraden hatten es schon ausprobiert und schwärmten nur so, und fühlten sich wie richtige Helden. Also verkündet und beschlossen machten wir uns auf den Weg. Aber nur gucken meinte James. Natürlich stimmte ich ihm zu, denn mir war es ganz und gar nicht geheuer. Vor dem Gebäude angekommen, nahmen wir unseren ganzen Mut zusammen und betraten mit "John Wayne" Schritten die Räumlichkeit.Eine fast totale Finsternis umgab uns und ein ganz und gar unbekannter Geruch schlug uns entgegen. Ängstlich schauten wir umher und entdeckten einen Bartresen, an dem eineige dunkelhäutige und leicht bekleidete Mädchen saßen. Vorsichtig näherten wir beiden hellhäutigen uns dem Tresen und orderten 2 Coca Cola. Übrigens die erste Coca unseres noch so jungen Lebens. Unauffällig verdrückten wir uns dann mit unserem Getränk in eine dunkle Ecke während die Damen uns mit ihren Blicken verfolgten. Ich erinnere mich noch als wäre es gestern gewesen.

Es dauerte natürlich nicht lange,und zwei braunhäutige Karibik Schönheiten schwebten auf uns zu, um uns unumwunden zu fragen, ob wir Interesse hätten mit ihnen auf das Zimmer zu gehen. Wir schüttelten beide den Kopf so heftig, dass einige Tropfen unserer Coca Cola übers Stag ging und die beiden Schönheiten sich pikiert abwendeten. James und ich waren uns einig, die Cola rasch aber genussvoll zu trinken und dann eilends das Etablissement zu verlassen, um nicht noch einmal in so eine prekäre Situation zu gelangen. Sichtlich erregt standen wir beide dann wieder auf der Strasse und waren, glaube ich, beide sichtlich erleichtert ungeschoren davon gekommen zu sein. Wir haben im übrigen damals auch nicht wirklich verstanden, dass es doch relativ viele Lehrlinge dort hingezogen hat, zumal es auch gesundheitlich nicht ganz ungefährlich war. Nun besteht die Seefahrt nicht nur aus Landgängen, sondern in erster Linie aus Arbeit und für uns Lehrlinge aus der theoretischen und praktischen Ausbildung an Bord. Doch darüber berichte ich gerne in einem folgenden Artikel. Unsere damalige Postanschrift lautete: Empresa Consolidada u Terminales Mambisas La Habana/Cuba.

Danke an Joachim Krull!


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