Wir hatten eine Solidaritätsladung von 400 Tonnen Mehl oder Zucker für Zanzibar an Bord. Gleich bei Ankunft überfiel mich unser dortiger Konsul Franz Koneiczny mit dem Verlangen, diese Sendung mit einem Staatsempfang zu übergeben.
Sollte mich in meine Khaki- Uniform schmeißen und mit ihm, dem "Alten"; d.h. dem Inselhäuptling , Sheik Abaid Karume, meine Einladung überbringen. Ich wurde belehrt ihn mit "Jambo Exzellence" zu begrüssen. "Jambo" ist das "salam" oder "shalom" der Suaheli und seine Exzellence war immerhin schon Vizepräsident von Tansania. Er empfing uns in seinen Wohngemächern im Kaftan, spendierte uns einen Whisky und nahm die Einladung dankend an. "Er hat ein Herz für Seeleute und kommt gern auf Schiffe. In seiner Jugend ist er auch mal als Tellerwäscher zur See gefahren " erklärte mir Franz.
Wir legten ihm zum Empfang rote Kokosläufer von der Gangway außen herum bis aufs Bootsdeck und bewirteten ihn und seine Equipe an der langen Back in der Kapitänsmesse. Er bekam seinen Platz an der Stirnseite, rechts vom Konsul und links von mir flankiert.
Ich hatte für diesen Anlaß in Zanzibar extra einen Kasten "Ginger Ale" kaufen müssen, da es hieß: "..der Alte trinkt nichts anderes". So verlangten jetzt auch sein Staatsminister und die anderen Herren seiner Begleitung nichts anderes. Der "Alte" klärte mich aber gleich auf:"..sieh Dir diese Heuchler an. Sonst saufen sie wie die Löcher, nur weil ich dabei bin wollen sie jetzt auch alle Ginger Ale."
Zwei Tage später ging auf der Insel das Gerücht um,der Staatsminister habe stockbesoffen das Gefängnis inspizieren wollen und sei darob von seiner Frau verprügelt worden.Man fand das sehr amüsant und niemand erhob deswegen eine Rücktrittsforderung.
Meine Offiziere und ich hatten uns in "schneidig weiß" geworfen und die schwarzen Herren erschienen mit"Schlips und Kragen". Mein II.Offizier hatte die Gäste unten an der Gangway in Empfang genommen und zu mir aufs Bootsdeck geführt. Dort empfing ich Karume in militärischer Haltung und hieß ihn an Bord willkommen. Er hob bei der Erwiderung sein obligatorisches britisches Offiziersstöckchen wie einen Marschallstab.
Während wir bereits unsere Vorsuppe löffelten legte sich plötzlich eine schwarze linke Hand auf meine rechte weiße Schulter und die dazugehörige Rechte auf die linke Schulter des "Alten". "Tach, wie gehts" redete mich ein bereits älteres Gesicht an. Altes zerschlissenes Jacket, offener Kragen, ausgebeulte Hosen und seine Füße steckten in ausgelatschten Sandalen. Die draußen im Gang postierten bodygards hatten bereits einen Stuhl organisiert und platzierten ihn an der Tafelecke zwischen seiner Exzellence und mir. Die Figur hatte sich offenbar selbst eingeladen, genoß aber offensichtlich hohes Ansehen.
Konieczny bemerkte meine Verdatterung und klärte mich auf:"..das ist...der Bürgermeister von Zanzibar und Vizepräsident von Karumes Afro- Shirazi- Partei."
Seinen Namen habe ich nicht behalten. Der so vorgestellte nickte und später erfuhr ich , er war ein alter Askari Lettow- Vorbecks. Daher also sein gutes Deutsch.
Bereits bei der Überbringung der Einladung hatte Karume fallen lassen, die "Altmark" sei ein gutes Schiff mit einem guten Ruf und er freue sich. Ich hatte das als reine Höflichkeitsfloskel gehalten um mir zu schmeicheln. Jetzt erfuhr ich, die "Altmark" war das erste Schiff das nach dem Sturz des Sultans in Zanzibar wieder festgemacht hatte. Dieser alte Askari hatte den alten Schlicht (vorhergehender Kapitän) schon beim Festmachen vom Pier aus mit den Worten begrüßt: "Gott sei Dank, daß ihr wieder da seid!"
Bekanntlich hatte unser Kaiser seinerzeit Zanzibar bei den Briten gegen Helgoland eingetauscht. Im Ergebnis des I.Weltkriegs hatten wir damals auch noch Tanganjika eingebüßt.
Es dauerte nicht lange danach und die Inseln Zanzibar und Pemba waren für ein paar Jahre scheinbar fest in der Hand der DDR. FDJ-Brigaden realisierten u.a. ein Wohnungsbauprogramm und die Lieferung von drei Fischkuttern brachten die einheimischen Fischer mit ihren traditionellen Fangmethoden bald an den Ruin. So wurden die Kutter zum vergammeln angebunden. Auch die Slum- Bewohner wollten nicht in die neuen Wohnungen, weil sie dort jetzt Miete und für elektrisches Licht bezahlen sollten. Schließlich nahmen sie ihre Ziegen mit ins Schlafzimmer und gokelten ihr Feuer mitten im Wohnzimmer.
Das ging solange gut, bis Chou en Lai der Insel einen Besuch abstattete. Das war während der Zeit der Kulturrevolution in China. Dabei muß er den "Alten" irgendwie herum gekriegt haben. Fortan orientierte er sich an China und es zog Mangel an allem auf Zanzibar ein. Wo einst fröhlicher Handel blühte, standen die Menschen Schlange nach dem Lebensnotwendigsten. Tansania hatte einen Haufen Chinesen ins Land geholt für den Eisenbahnbau nach Sambia. Die traditionellen Verbindungen durch das noch portugiesische Mocambique waren durch den Befreiungskrieg der FLM unterbrochen. So nahmen auch in Zanzibar die Chinesen das Management in die Hand. Schuld war die DDR selbst, weil sie das Managing- Angebot abgelehnt hatte aus dem Vorbehalt,ihre Bürger im Gastland dann juristisch nicht mehr schützen zu können.
Karume kommentierte das Schlangestehen der Menschen als Zeichen ihres Wohlstandes und ihrer Kaufkraft. Schließlich hatten es wohl einige seiner ehemals Getreuen satt und wählten ihn ab, indem sie ihn mit einer MPI- Garbe durchlöcherten.
Noch war es lange nicht soweit, Karume noch auf dem Höhepunkt seiner Macht. Drei Tage nach dem Empfang versegelten wir den Katzensprung nach Dar es Salam......
Dieser Beitrag wurde freundlicherweise von dem damaligen Kapitän zur Verfügung gestellt.
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Seefahrt in der DDR läßt sich nicht immer ohne einen politischen Exkurs darstellen. Die Schiffe der DSR steuerten damals von Jahr zu Jahr immer mehr Häfen an, besonders in den sechziger Jahren, als die Flotte schnell wuchs und die Liniendienste ausgebaut wurden. Viele Schiffe der DSR liefen erstmalig fremde Häfen an und die Besatzungen trugen dabei schon besondere Verantwortung. Sprach man doch auch schon zu dieser Zeit von "Diplomaten mit Seefahrtsbuch" und nach dem Selbstverständnis der DSR, die Seeleute als Botschafter eines neuen Deutschlands an. Die ersten Reisen dieser Art erfolgten auf Basis von Handelsabkommen, mitunter auch ohne diese Grundlage und es wurden nur einige Kisten unrentabel umgeschlagen. Damit wurden aber Verbindungen geknüpft und weitere An- und Abfahrten vorbereitet.
So leiteten die DSR- Schiffe, als erste Sendboten der DDR, eine Entwicklung ein, die von den kleinsten Anfängen in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten dann zur späteren diplomatischen Anerkennung der DDR führten. So war auch manche Reise als politische Mission zu verstehen.
Ein gutes Beispiel ist dafür auch Zanzibar. Ein Land, bestehend aus zwei Nelkeninseln und meist vorher nur den einschlägigen Briefmarkensammlern bekannt.
1964 rief Zanzibar die Volksrepublik aus und beschloß als erstes nichtsozialistisches Land die DDR diplomatisch anzuerkennen. Das erste Land, daß der Hallstein- Doktrin trotzte, die den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik formulierte- natürlich auch zum eigenen Vorteil und aus simplen politischen Kalkül.
Der vormalige Führer der Seemannsgewerkschaft, Präsident Karume, brachte alle unter einen Hut: Den in Moskau studierten Hanga und den Maoisten Nbabu. Hinzu kam dann noch der Teil der Landesbevölkerung, der aus strenggläubigen Moslems bestand...
Für uns Seeleute erfüllte Zanzibar damals die Klischees, die man mit Afrika in Verbindung brachte: Herrliche Strände, Palmen und Sonnenuntergänge, üppige Natur. Armut war hier nicht so brutal, es herrschte Aufbruchstimmung, keine bettelnden Kinder, was sich aber später ändern sollte. Zanzibar wurde von der DDR damals unterstützt und man war auch als Seemann dieses Landes dort gerne gesehen.
Oft erlebte man aber auch gerade in diesen jungen Nationalstaaten, jeden politischen Richtungswechsel. Hafenbehörden, die uns vorher mit Solidaritätsgütern freudig erwartend begrüßten, ließen das Schiff dann wochenlang auf Reede schmoren....
C.K.
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