Ich befand mich damals an Bord eines Handelsschiffes der DSR, MS" Altmark" -Heimathafen Rostock. Es ist später Nachmittag und wir nähern uns der syrischen Hafenstadt Latakia. Wir kamen von einem anderen syrischen Hafen- Tartous, wo ein Teil unserer Ladung bereits gelöscht wurde. Langsam erreichen wir den für uns vorgesehenen Liegeplatz auf Reede. Die Hafenstadt Latakia, die wir regelmässig anlaufen, wächst am Horizont immer deutlicher aus dem Meer. Das langsamer werdende, monotone Stampfen der Hauptmaschine signalisiert dem Fahrensmann das Ende der Seereise bzw. Überfahrt.
Maschine Stop, mit Rasseln und Poltern im Vorschiff, durch das Fallenlassen des Ankers, wird der Besatzung das Erreichen des vorläufigen Liegeplatzes signalisiert. Wir liegen super im erwünschten Zeitplan. Behördenformalitäten waren schon im vorhergehenden Hafen absolviert. Keine langwierige Einklarierung und keine Zollformalitäten mehr. Die Fotoapparate der Besatzung waren schon versiegelt unter Verschluß, lediglich unsere "Funkbude" wurde erneut dichtgesetzt, wie damals in der Region üblich.
Die Stimmung an Bord war prächtig bis ausgelassen. Nach Monaten mal eine Abwechslung am Abend. Am Vorabend zum Staatsfeiertag hatten wir unser Schiff über die Toppen geflaggt und mit Lichterketten geschmückt. Auf dem Achterschiff liefen die Vorbereitungen zum Grillabend, aus der Kombüse kamen schon verlockende Düfte und die ersten Musikfetzen waren deutlich vernehmbar. Drei Festivitäten standen für die nächsten Tage an und Reedezeit macht die s möglich: Der 7.Oktober, paar Tage später persönlicher Geburtstag und dann noch am 13.10. Tag der Seeverkehrswirtschaft......
Bis auf unsere Wachhabenden sitzen wir gemütlich Achtern zusammen, sahen wie die Sonne schnell, wie in dieser Region üblich, am Horizont versank und es sehr schnell Nacht wurde. Ehrungen und Auszeichnungen seitens der Reederei empfangen, den Bauch gefüllt und jetzt teils an der Back sitzend oder an der Reling lümmelnd, machen wir dem Namen "Palaverdeck" alle Ehre. Mit dem Blick zum hellerleuchteten Hafen Latakias bewundern wir die Reflexionen unserer bunten Festbeleuchtung auf der spiegelglatten See der Reede. Heute sind die anderen Dampfer nur graue Mäuse gegen uns. Die Gedanken sind zu Hause.
Es muss wohl so gegen 23.00 Uhr gewesen sein, die eben noch hellerleuchtete Stadt mit ihren pulsierenden Hafenanlagen und Schleppern wird mit einem Schlag, als wenn jemand einen Schalter umgelegt hat, total dunkel. Stromausfall, der erste Gedanke. Nur ein paar funzelnde Ankerlichter und Positionslampen auf Reede verraten die Existenz weiterer Frachter.Wir sind die Ausnahme, strahlend beleuchtet wie ein Christbaum. An Land steigen plötzlich Leuchtkugeln auf, Geknatter von automatischen Waffen ist zu vernehmen. Leuchtspurgeschosse durchsieben den Nachthimmel. Lästernd bemerke ich,toll diese Aufmerksamkeit, an unserem Nationalfeiertag ein Feuerwerk zu veranstalten, daß nenne ich Gastfreundschaft.
Auf Reede sind nicht näher definierbare Geräusche und Aktivitäten aus der Dunkelheit zu vernehmen. Ein lautes, bedrohliches Röhren ist immer näherkommend deutlich aus der Dunkelheit zu hören. Dann kracht es und blitzt es auch schon. Ein grauer Schatten taucht auf und schießt aus nächster Nähe mit automatischen Waffen auf uns. Leuchtspurgarben zischen durch die Masten, gehen aber mehrheitlich über uns hinweg. Wir deuten es richtig und löschen unverzüglich die Lichter unserer Festbeleuchtung und minimieren nur noch auf notwendige Lichtquellen.
Hubschraubergeräusche sind zu vernehmen. Das Röhren auf Reede ist zu einem beängstigenden, überlauten Dauerton geworden. Dann bricht die Hölle los......Ein akustisch vernehmbares Gekurve von Schnellbooten in unmittelbarer Nähe unseres Schiffes vermittelt die Anwesenheit mehrerer Schiffseinheiten. Von einer Landzunge werden in kurzen Intervallen schwere Raketen abgefeuert. Die Leuchtpunkte zielen in das offene Seegebiet. Dann die erste schwere Explosion. Ein Schiff in unmittelbarer Nähe fliegt mit einer grossen Feuersäule in die Luft. Gespenstisch wird die Szenerie beleuchtet, Rauchschwaden und öliger Brandgeruch wabern über die Reede. Mittlerweile haben wir an Bord auch schon Alarm ausgelöst und alle möglichen und üblichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Überlaute Detonationen explodierender Raketen und dumpfe Abschüsse wechseln sich vernehmbar ab. Düsenjäger sind in der Luft. Ein weiteres Schiff explodiert. In der Feuersäule sind die Wrackteile in grosser Höhe deutlich erkennbar. Alles blutrot ,der Himmel und die See reflektieren sich. Das Zeitgefühl ist ausgeschaltet, irgendwie hat man das Gefühl des Unwirklichen, wie ein Zuschauer im Kino.Zu viele, nicht vorstellbare Ereignisse.
Irgendwo hat es wieder ein Schiff getroffen, man kennt jetzt das Detonationsgeräusch und die darauffolgende Feuersbrunst. Vom Horizont seewärts nähern sich paarweise Leuchtpunkte und schlagen in ihre Ziele ein.Noch eine ohrenbetäubende Detonation.
So urplötzlich wie das Inferno begann, hörte es auch auf. Eine beängstigende Stille, die man unter einem glutroten, mit schwarzem Rauch durchzogenen Baldachin wahrnahm. Der Blick auf das Bordradar verriet, es waren ein paar Schiffe weniger auf Reede.....
Erst später erfuhren wir,daß wir unfreiwillig Augenzeuge der "Battle of Latakia" wurden, in deren Verlauf fünf syrische Schnellboote(OSA) durch israelische Raketen vom Typ "Gabriel" versenkt wurden. Es handelte sich um die erste Seeschlacht der Geschichte, bei der mit Seezielflugkörpern ausgerüstete Schnellboote aufeinander trafen. Außerdem wurden zum ersten mal Methoden der elektronischen Kampfführung während eines Seegefechts real in der Praxis angewandt.
Fortsetzung:Kriegsreise II
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