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ALGER-LA BLANCHE

Algier-die weisse Stadt

"Gott  hüte  uns  vor  Sturm  und  Wind, vor  Deutschen  die  im  Ausland  sind". Diesen  Spruch  hatte  man  als  Seefahrer  häufiger  mal  auf  den  Lippen, wenn  aus  einem  ehemals  verträumten, idyllischen  Hafenort  mit  gastfreundlichen  Einwohnern, ein  von  Touristen  a  la  Neckermann,  überlaufener  Ort  geworden  war  und  aus  den  Bewohnern  reservierte  Gastgeber  wurden, die  ihre  Freundlichkeit  nur  noch  nach  kaltem  Geschäftsgebaren  und  verdorbenen  Preisen  abfordern  konnten. Für  den,  schon  ohnehin  mit  knappen  Handgeld  ausgestatteten  DSR- Seemann, wurden  die  finanziellen  Möglichkeiten  vor  Ort  dann  noch  begrenzter. 

Es ging auch anders....

Eine  sehr  rühmliche  Ausnahme  mit  Landsleuten  im  Ausland  erlebte  die Besatzung  des  MS "Altmark" während  ihrer  Aufenthalte,  in  der  zugegebener  Maßen, nicht  kleinen, verträumten  Hafenstadt  Algier.
Algier- die  Millionenstadt, Hauptstadt  des  Landes  Algerien.
Meist  lagen  wir  hier  in  zermürbender  2-3  wöchiger  Reedezeit, mit  nervigen   Einlagen  der  dortigen  Behörden  versehen.Darauffolgend  kam  dann  mindestens  eine  zweiwöchige  Lade- und  Löschzeit  im Hafen  hinzu. In  dieser  Hafenstadt  entwickelte  sich,  durch  die  DDR- Botschaft  initiiert, eine Kooperation  mit  den  zahlreich  vor  Ort  vertretenen, im  Lande  beruflich  tätigen  Landsleuten, die  beiderseitig  viele  interessante  Begegnungen mit  sich   brachten. Selten  hatten  wir  Seeleute  die  Möglichkeit  ein  Land  so  intensiv  in  seiner  Vielfalt  von  Kultur, Sitten  und  Sehenswürdigkeiten  kennenzulernen. Die  dort  gewachsene  Zusammenarbeit  erstreckte  sich  später  sogar  noch  auf  andere  algerische  Häfen, wie  z.B.  Annaba. Wir  lernten  nicht  nur das  Land  Algerien  mit  seiner  bewegten  Geschichte  kennen, sondern  bekamen  auch einen  Einblick  in  die  Tätigkeit, mit  landestypischen  Schwierigkeiten  und  Problemen  für  die Familien, unserer  Landsleute  vor  Ort,sei  es  als  Botschaftsangehöriger, Lehrer  und  Dozent, Monteur, Sporttrainer, Lehrausbilder  oder  Handelsattache, Geologe  oder  Arzt.

In der Kasbah

Wie muß man sich diese Zusammenarbeit vorstellen...

Abgesehen  davon, daß  man  sich  später  schon  persönlich  kannte  und  Absprachen  individuell  tätigte, hatte  sich  während  der  Hafenliegezeit  ein  reger  Shuttle- Service organisiert. Morgens  standen, täglich  zwischen  8-9  Uhr,  die  ersten  2-3  PKW  an  der  Gangway  und  brachten  frisches  Obst  und  Gemüse, "zolltechnisch"  auf  die  Autos  verteilt,  für  die  Besatzung. Bei  Abfahrt   der  Autos  fuhr  dann  ein  Teil  der  Crew,  je  nach  Bedarf, Wunsch  und  Freizeit, dann in  das  Landesinnere  mit. Diese  kleinen  Konvois  setzten  sich  am  Tag  2-3  mal  mit  Besatzungsangehörigen  in  Bewegung. Das  Ganze  hatte  den  nicht  zu  unterschätzenden  Vorteil, einer  sachkundigen  Führung  und  des  Umgehens  evtl.  bestehender  sprachlicher  Barrieren im  Land. Man unternahm  Stadtrundfahrten, besuchte  Museen, Messen  und  Ausstellungen, fuhr  in  Wintersportorte!!  in  das  Atlasgebirge, trank  Tee  mit  Beduinen  in  der  Sahara, nahm  an  einer  algerischen  Hochzeit  teil. Man  konnte  in  alten  Ruinen  der  Römer  stöbern, unterhielt  sich  mit  französischen  Tauchern, die  einen  phönizischen Hafen  auf  dem  Meeresgrund  erkundeten, man  fuhr  durch  die  Kabylei, sah  die  Reste  des  Kolonialkrieges, die  legendäre  Kasbah.....
Tagestouren  von  mehr  als  500 km  waren  keine  Seltenheit.
Wer  es  ruhiger  angehen  lassen  wollte, fuhr  zum  Baden  und  Relaxen  in  den  Club  de  Pinie, den  Badestrand  der  betuchteren  Hauptstadtbewohner. Den  Abend   konnte  man  dann bei einem interessanten Gespräch,  in  einem gemütlichen  Fischerlokal  bei Sonnenuntergang, Crevetten,  Baguette  und gut temperierten algerischen  Rotwein   ausklingen lassen.

In der Kasbah

Wie brachten wir uns ein....

Nur  wer  lange  Jahre  fern  der  Heimat  lebt  und  arbeitet, kann  nachempfinden,  wie  schmerzlich  man  vertraute  Dinge  aus  deutschen  Landen  vermisst. Hier  konnten  wir  helfen- speziell  die  Kombüse-  und  unseren  Anteil  einbringen. Spätestens  nach  dem  Verlassen  des  letzten  westeuropäischen  Hafens, war  für  Koch  und  Bäcker  an  Bord  Nachtschicht  angesagt. Zielgerichtet  nahm  man  schon  ein  paar  Säcke  Roggenmehl  mehr  mit  auf  die  Reise  und  veredelte  dieses  dann  zu  Schwarz- und  Mischbroten. Zwölf  Stück  pro  Backvorgang, mehr  gaben  die  kleinen  Bratröhren  nicht  her. Backöfen  gab  es  auf  Alttonnageschiffen  eher  seltener. Schwarzbrot  war  oft  das  Zauberwort  für  im  Ausland  tätige  deutsche  Staatsbürger, im  Falle  Algerien  nach  dem  Dauerverzehr  von  Baguette, Brioches  und  Fladenbrot, eine  Rarität  und  Delikatesse. Deshalb  törnte  dann  die  Kombüsencrew, nach  erfolgter  Versorgung  der  Besatzung, nächtens  nochmal  ca.  4  Std.  täglich  zu. Damit  die  Zeit  auch  optimal  genutzt  wurde, hatte  man  auch  vorher  schon  die  Fleischbestellung  darauf  ausgerichtet  und  stellte  nebenbei  noch  jede  Menge  Hausmacher  Leberwurst  verschiedener  Sorten  her. Man  kann  sich  kaum  vorstellen, wieviele  glückliche  Gesichter  man  damit  in  Algerien   hervorrufen  konnte. Ca. 240  Brote  und  etliche  KG  Leberwurst  erreichten  dort  die  freudigen  Empfänger.
Im  Gegenzug  belastete  man  seine  Devisen- Proviantkasse  nicht, lief  doch  die  gesamte  Versorgung  mit  Frischproviant  in  Algier, unter  Umgehung  des dortigen  überteuerten   Schiffshändlers, bis  zum letzten direkten  Basareinkauf für  die  weitere  Reise, durch  Übernahme  der  Kosten  dort  tätiger  DDR- Bürger. Einige  Mangelartikel  brachten  wir  dann  noch  auf  Vorbestellung  mit. So  erinnere  ich  mich  noch  an  eine  Weihnachtslieferung  Dresdner  Stollen  und  Tannenbäumen  u.a. Welchen  Stellenwert  solche Artikel  dort  damals  einnahmen, erlebten  wir  bei  einem  Preisskat, den  die  Botschaft  dort  Weihnachten  organisierte. Gespendete  Preise  bordseitig  waren - auf  Wunsch- Brote, Dauerwürste  und  Schinken. Landestypische  Handwerkskunst, Whisky  und  Zigaretten  steuerte  die  Botschaft  bei.  Schwarzbrote  und  Dauerwurst  bzw. Schinken, wählten  durchgehend  die  Gewinner der  Botschaft  aus.Da  für  die  Besatzungsangehörigen  keine  Lebensmittelpreise  übrig  blieben, nahm  man   leider  (augenzwinkernd)  den  Whisky.... 

Panorama Algier

Ein paar Ergänzungen....

Die  Besatzung  musste  natürlich  den  ordnungsgemäßen  Bordbetrieb  während  des  Lade- und  Löschbetriebs  aufrecht  erhalten. Um  allen  Besatzungsangehörigen  die  Möglichkeit  zu  geben, Algerien  mit  Hilfe  Ortskundiger  zu  erleben,  wurden  Wachen  getauscht, Schichten  von  anderen  Besatzungsmitgliedern  übernommen  bzw.  vorgearbeitet. Das   setzte  natürlich  ein gesundes  Bordklima  und  eine harmonierende  Besatzung  voraus. Dies  war  zu  dem  damaligen  Zeitpunkt  auf  der  "Altmark"  durchaus  gegeben. So  konnte  sich  oft  schon  mittags  die  zweite  Gruppe  der  Crew,  auf  die  Tour  in  das  Landesinnere  machen, hatte  man  evtl. den  Tagestörn  schon  früher  begonnen  und   dementsprechend  eher  frei. Abholende  Fahrer  und  Familien  wiederum, hatten  dadurch  die Möglichkeit, an  dem  von  uns  langfristig   eingeplanten  Gästeessen  teilzunehmen. Eisbein  mit  Sauerkraut, Schlachtplatte  und  Schweinebraten  mit  Rotkohl  waren  dann  bei  über  30  Grad  plus  der  absolute  Renner. Wir  organisierten  auch  mal  Schiffsführungen  mit  den  Gästen, dann war ein  kleines  "deutsches"  Büffet  oder  ein  Grillabend  mit  echter  Thüringer  Bratwurst  und  "german" Faßbier  der  krönende   Höhepunkt.
Nie  wieder  hatte  ich  Gelegenheit, ein  Land  während  meiner  Fahrenszeit, so  intensiv  kennenzulernen. Heute  freue  ich  mich  darüber, daß  alles  maßgeblich  mit  initiiert  zu  haben. Damals,  zwischen  1972 und  1975.
Wer  hatte  danach  noch  solche  Liegezeiten.....?
C.K.

Zu Gast in der Kabylei...

Fortsetzung folgt!


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