Nun bin ich endlich an Bord eines Schiffes, daß mit blau- rot- blauer Schornsteinmarke und Heimathafen Rostock die Meere durchpflügt. Auslaufen Wismar, durch die Ostsee und Erstaunen über die andere Färbung der Nordsee. Später sollte ich feststellen, auch die Wellen der Nordsee sind anders geartet.
Der erste Hafen ist planmässig Rotterdam. Nicht zu glauben, von See aus kann man das Land und den Hafen riechen. Bevor die Silhouette R`dams am Horizont auftaucht, sind schon Gerüche der Zivilisation in Form von Abgasen der Ölraffinerien wahrzunehmen. Da waren die gestrigen Düfte in meiner Nase doch noch angenehmer.Zuerst vermutete ich einen Scherz mit einem Bordneuling der Besatzung, als mich der Chiefmate Höhe Skagen auf die Brücke beorderte. Mit einem ausgesägten grünen Holzfisch, an einem Besenstiel befestigt, sollte ich aus der Nock dänischen Fischern Signale zukommen lassen. Zu meiner Freude, einem Schabernack entgangen zu sein, gelang es auf Anhieb- zwei dänische Fischlogger kamen, nachdem wir die Maschine runtergefahren hatten, längsseits.Körbe mit Butt, Heringen, Dorsch und anderem Meeresgetier wechselten mit Hilfe der Wurfleinen den Besitzer. An Bord gezogen, in bereit gestellte Behältnisse entleert und im Gegenzug glückliche Augen der winkenden Fischer, die den Körben dann Whisky und Stangen Zigaretten als gewohntes Ritual entnahmen.
Auch den befahrenen Besatzungsmitgliedern fehlte es nicht an Organisationstalent. Erst stand ich hilflos vor den Mengen Fisch auf dem Achterdeck, dann hatte ich nur noch Messer und Schüsseln zu verteilen. Vom Chief bis zum letzten Lehrling kam jeder in seiner Freizeit vorbei und beteiligte sich unter Anleitung ehemaliger Fischer unter der Crew, beim Putzen der Fische. Rezeptvorschläge machten die Runde. Mit einem Schlag hatte sich die 36 Mann zählende Besatzung für die nächste Zeit mit Fisch aller Varianten, bis einschließlich Räuchern eingedeckt.
Nun warteten mindestens 7 Tage!! Hafenliegezeit, in einem schon damals modernsten Hafen der Welt, auf uns. Der erste Hafen meines beginnenden Seefahrerlebens. Der Ladebetrieb unserer Ladefirma PAKHOED mit Paletten, Netzbrooks und Gabelstapler auf der Pier, in den Luken und einem Wald von quietschenden Ladekränen. Nur die wartende Schlange wartender LKWs an der Pier lässt sich mit heutigem Containerumschlag vergleichen. Wir nutzten die Zeit zu einer Exkursion nach Amsterdam zur Floriade, der grössten Blumenausstellung der Welt im Land der Tulpen und fuhren durch die Grachten. Wir lernten an jeder Ecke Pommesbuden kennen und machten regen Gebrauch davon. Der Seemannspastor organisierte ein Fussballspiel gegen das Hamburg- Süd Schiff"Cap San Nicolas", daß wir auch auf Grund unserer Jugend 3:1 gewannen. Das Schwesterschiff liegt heute als Museumsschiff "Cap San Diego" an den Landungsbrücken in Hamburg. Ja, solche Schiffe befuhren im Jahre 1972 noch überwiegend die Weltmeere....
Natürlich wurde auch das Amüsierviertel R`dams,der Katendrecht, inspiziert. In einer Seemannskneipe, hätte bei meinem Einverständnis, meine Seefahrt unter blau- rot- blau ein jähes Ende finden können. Ein Cuxhavener Heuerbaas versuchte vergeblich, seine Crew auf einem Fischereischiff zu komplettieren. Mit 3000.-DM wäre ich dabei gewesen, so sagte er....
Das, was man aus Büchern kannte , wurde hier zur Realität, wurde dann zum alltäglichen Leben. Die erste Reise, auf der angeblich die Finger vom Koffertragen gerade werden und die Seebeine anfangen zu wachsen, war schon reichhaltig angefüllt mit Eindrücken und Erlebnissen....
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