Was hat die See heute mit uns vor?
Schlecht geschlafen.Der Dampfer fing in der Nacht zu rollen und die Kojenvorhänge standen schon fast waagerecht in der Kammer.Mit artistischen Verrenkungen verkeilte ich mich in der Koje um der Krängung des Schiffes entgegenzuwirken.Ab und an geht es wie in einem Riesenrad zu, das Schiff erklimmt einen Wellenberg, dann kommt der meterhohe freie Fall.
Katzenwäsche ist für die Morgentoilette angesagt.Am Waschbecken festgekrallt, wird die alte Seemannsweisheit, eine Hand fürs Schiff, zwingend befolgt.
Stehe achtern an der Reling, trinke lieblos meinen Morgenkaffee und beobachte das Meer. Das Schiff fährt bizarren Wolkenbänken entgegen, die gespenstisch vom Restmond angestrahlt werden.Etwas seltsam glänzt das Meer, die letzten Sterne der Nacht funkeln noch bewegt auf der Wasseroberfläche.Aber langsam verschwindet dieser Glanz.
Der gerade abgelöste 0-4 Wächter brummelt: "Da zieht was auf".Er muss es wissen, dem sind schon Seebeine gewachsen und er hat die aktuellen Wettermeldungen von der Brücke parat.
Der Wind nimmt merklich zu.Die Wolkenberge schieben sich dichter zusammen.Der Sturm jagt jetzt die Wellen.Er wird stärker und stärker und peitscht das Meer.Rollende Schaumköpfe von allen Seiten.Die "Altmark" stemmt sich dem ächzend entgegen.Die ersten Wogen klatschen über die Back.Am Horizont ein Gebirge von Wolkenbergen-graue und sehr dunkle.Von den Letzteren mehr.Salzige Spritzer benetzen mein Gesicht.Ich mag das, mit der Zunge diesen salzigen Geschmack zu entdecken.
Ein paar Stunden später:
Die See dröhnt.Man sieht nur noch Schaumkronen und weisse Gischt. Das Wasser kocht.Nun denke ich mal kurz, wieviel Meter wir über Grund sind.Ertappe mich aber seltsamerweise dabei, dass ich es irgendwie beeindruckend finde, was die Naturgewalt, das Meer, mit uns treibt.Das Oberdeck ist nur noch als Seegebiet erkenntlich.Brecher für Brecher schlagen über das Vorschiff.
Die "Altmark" kämpft knarrend und stöhnend gegen jede Woge.Dazu das Heulen des Sturmes.Wellental für Wellental wird abgeritten.Ein Teufelsritt.
Klammere mich an einen Handlauf und bin fasziniert, dass meine Füsse mitunter in der Luft schweben.Immer wieder bodenlose Leere unter den Füssen.Möchte dieses Unwetter im Bild festhalten.Schwieriges Unterfangen.
Oh, Neptun fotografiert schon-kräftige Blitze zerreissen das urgewaltige Szenario.Ich sehe die Konturen des Schiffes wie ein Scherenschnitt.Die Schaumkronen leuchten gespenstisch.
So, jetzt ist alles beisammen.
Es regnet.Erst wenig, dann volle Pulle.Hauptgewinn.Wasser von vorn, von der Seite, von oben.Ach ja, auch in den Kragen dringt es hinein und läuft in einer unangenehmen Temperatur den Körper herunter.Egal, geht sowieso gegen eine Wand von Wolken und Wasser.
Die salzige Wucht schlägt immer wieder auf das Schiff ein.Brecher auf Brecher in kurzer Abfolge.Kursänderung.Kurzes Aufatmen.Die Dünung.Jetzt geht es nicht mehr gegen den Wind-Wellenreiten.Ein Ritt, der so manchem nicht bekommt.Das Schiff springt wie ein Ziegenbock.Jetzt opfern auch einige Hartgesottene für Neptun, aber nicht an der Reling.
Dann, nach Stunden oder Tagen?-die Erlösung.
Der Wind lässt nach, der Spuk geht vorbei.Die Kraft der Wellen lässt nach und der Himmel klart auf.Am Horizont bietet die Abendsonne noch ein bezauberndes Farbenspiel.Belohnung für die durchstandenen Stunden?
Wir fahren , Meile für Meile, Gibraltar entgegen und kümmern uns um die Seeschäden...
"Auf dem Meer zu fahren kann eine Sucht sein,eine gewaltige Sucht!!!"
Na Ja.....
In einem geplanten Buch wird das mal ausführlicher beschrieben.
© 2006-2024 by Clemens Külberg - Hamburg