Über 30 000 Seeleute fuhren von 1950 bis 1993 auf über 340 in Dienst gestellten Schiffen unter DSU-, DSR- und Deutfracht- Flagge, sowie mit der blau- rot- blauen Schornsteinmarke und dem Namenszug des Heimathafens Rostock am Heck über die Weltmeere.
Seeleute, die über einen hohen seemännischen Ausbildungsstand verfügten, sich weitestgehend mit ihrer Reederei identifizierten, die fast aus dem Nichts sich zu einem der grössten und bedeutendsten europäischen Schifffahrtsunternehmen nach dem zweiten Weltkrieg entwickelte.
Seeleute, die sich mit Liebe und Leidenschaft und einer dazu gehörigen Portion Improvisationsvermögen, sich bei der Lösung ihrer vielfältigen Aufgaben einsetzten und stolz auf ihren Beruf waren. Sie schrieben ein erfolgreiches Kapitel deutscher Seefahrtsgeschichte und haben es nicht verdient in neueren zeitgeschichtlichen Publikationen zur Handelsschifffahrt oftmals nicht erwähnt zu werden. Wer viele Jahre, an Bord von DSR- Schiffen verbrachte, die reich an Arbeit, Kameradschaft, Selbstbestätigung und Lebensfreude, trotz des harten Berufs waren, hat das Anrecht auf einen würdigen Platz in der jüngeren deutschen Seefahrtsgeschichte verdient. Unter diesem Gesichtspunkt sollte man auch die Traditionspflege der DSR und einen fairen Umgang mit ihrer Geschichte sehen.
Nicht Rechtfertigungsversuche verklärender Nostalgiker, die die Schattenseiten eines gescheiterten gesellschaftlichen Versuchs eines neuen Konstrukts schönreden, sondern gelebte Seefahrt jedes Einzelnen mit positiven und negativen Facetten sollte für die Geschichtsschreibung der DSR bewahrt werden.
Die Frachter der Deutschen Seereederei (DSR) fuhren auf allen Weltmeeren.
Das staatliche Schifffahrtsunternehmen, 1952 förmlich aus dem Nichts gegründet, schrieb ein erfolgreiches Kapitel deutscher Seeschifffahrt.
Von Rostock und Wismar aus, fuhr die Flotte mit dem blau- rot- blauen Schornsteinring, in alle Himmelsrichtungen der Welt. In ihrer Hochzeit unterhielt die Deutsche Seereederei Rostock (DSR) 28 Liniendienste, 17 davon kooperierend mit anderen internationalen Schifffahrtsunternehmen. DSR- Schiffe waren in den Häfen von über 100 Ländern präsent. 1977 waren 203 Schiffe der DSR im Schiffsregister vermerkt. Damit war die DSR nicht nur die zahlenmässig stärkste deutsche Flotte jener Zeit, sondern auch die grösste Universalreederei Europas.
Nach den politischen Umbrüchen des Jahres 1989 änderte sich diese Situation buchstäblich von heute auf morgen. Die Fahrtgebiete waren perspektivisch nicht mehr haltbar und gewachsene Linien, wie z.B. Erz aus der SU, Zucker aus Cuba u.ä. spielten in der neu angebrochenen Zeit keine Rolle mehr. Aus der staatseigenen Reederei wurde 1990 eine GmbH, 3 Jahre später waren von 163 DSR- Schiffen lediglich noch 63 in Fahrt. Mit dem Schiffsbestand, schrumpfte auch der Personalbestand und viele Seeleute verloren ihre Arbeit.
Der alte Flotten- und Personalbestand konnte aus marktwirtschaftlichen Interessen nicht mehr gehalten werden. Für viele DSR- Seeleute ein schmerzlicher Prozeß, der aber unter profitorientierten Wettbewerbsbedingungen zum brutalen Alltag gehört. 1993 wurde die DSR an die Hamburger Kaufleute Nikolaus W.Schües und Horst Rahe verkauft und privatisiert. Zu diesem Zeitpunkt standen nur noch 2500 Fahrensleute, von ehemals 8000 auf den Heuerlisten.
Für persönlich Betroffene, ein schwerer Einschnitt in die bisherigen Lebensplanungen..
Für viele DSR- Seeleute, besonders Besatzungsmitgliedern der Stammbesatzungen, war der schwimmende Arbeitsplatz ein zweites Zuhause geworden. Das war mehr, als nur der harte Arbeitsplatzverlust..... Um den Ausstieg aus der Seefahrt abzufedern, wurde eine Qualifizierungsgesellschaft gegründet, in der viele Seeleute für einen Arbeitsplatz "landtauglich" gemacht werden sollten. Inwieweit dies mehrheitlich vom Erfolg gekrönt war, vermag ich, angesichts zahlreicher mißlungener Versuche bei anderen Firmen nicht zu bewerten.
Der Großteil der DSR- Flotte ist verkauft worden. Die anderen sind aufgelegt oder längst dem Schneidbrenner zum Opfer gefallen. Von den einst insgesamt 344 in Dienst gestellten Handelsschiffen waren nachweislich im Jahre 2002 noch 77 auf allen Meeren unterwegs.
Natürlich nicht mehr alle unter blau- rot- blauer Flagge...
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