Man schrieb das Jahr 1958.
An einem grauen, sehr stürmischen Januartag erhielt der Schlepper "Wismar" die Einsatzorder zum Abbergen des 6300 BRT grossen Frachters "Archon Gabriel", Heimathafen Puerto Limon (Costa Rica).
6000 sm hatte die "Archon Gabriel" mit einer Erzladung unbeschadet auf ihrer Reise von Brasilien nach Stettin bereits zurückgelegt. Vier Stunden vor Erreichen des Bestimmungshafens kam das Schiff vom Zwangsweg ab und fuhr direkt auf die Greifswalder Oie zu. Ruhig machte das Schiff seine 15 Knoten, als die Brückenbesatzung durch eine Grundberührung aufgeschreckt wurde. Im milchigen Frühlicht des neuen Tages sahen sie mit Erschrecken die Greifswalder Oie vor sich. Der Erste Steuermann liess das Ruder zwar geistesgegenwärtig Hart Steuerbord legen, um die offene See noch zu gewinnen, aber es gelang nicht mehr. Ein schwerer Stoss erschütterte wenig später das ganze Schiff. Die "Archon Gabriel" war auf ein Steinriff aufgelaufen. Es waren die frühen Morgenstunden des 8. Januar.
Über Rügenradio forderte die "Archon Gabriel" bei der DDR- Schiffsbergung Schlepperhilfe an. Ergänzt wurde diese Anforderung lediglich mit der Meldung, dass in zwei Schiffsabteilungen Wassereinbruch festgestellt wurde. Das war um 9.00 Uhr. Diese Hilfe wurde aber 10.20 Uhr schon wieder seitens der "Archon Gabriel" abgelehnt.
Sicherlich ist man an Bord des Havaristen inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Strandung auf Grund nachlässiger Navigation geschehen ist. Die Schuld lag dabei sicher beim Kapitän, der die Verantwortung dafür trug, dass das Schiff einen gut markierten Dampfertrack verliess und vor der Greifswalder Küste scheiterte. In dieser Situation versuchte man seitens des Havaristen alles, um aus eigener Kraft freizukommen. So meldete man lediglich eine Grundberührung statt einer tatsächlich stattgefundenen Strandung. Die nächste Anfrage zur Bergungshilfe erfolgte 18.20 Uhr. Als der Bergungsschlepper "Wismar" längsseits am Havaristen dann festmachte, verweigerte die Besatzung die Übernahme der Schleppleine. Man hoffte immer noch bis zum nächsten Morgen aus eigener Kraft freizukommen......
Der weitere Verlauf der Bergung zog ich über 14 Tage hin. Bei widrigsten Witterungsbedingungen, Sturm bis Stärke 9 und für den Januar typischen Temperaturen und Niederschlägen. Viele Schwierigkeiten traten während Bergung auf. Leinen der "Archon Gabriel" brachen, neue Augen mussten von der Schlepperbesatzung eingespleisst werden und aus Stralsund und Rostock wurden Hafenarbeiter zum Leichtern auf Schuten eingesetzt. Auf den Bergungsschiffen selbst wurde Proviant und Trinkwasser knapp.
Endlich ,am 23. Januar, nach dem Ableichtern von 1000 Tonnen Erz, konnte das Schiff über die Steinbarre, die es vom offenen Meer trennte, hinweggebracht werden. Am gleichen Tag noch nahm die "Archon Gabriel", im Schlepp von zwei Bergungsschiffen, Kurs Swinemünde/Stettin bzw. Werft Danzig auf. Auf diesem Weg gab es nochmals Grundberührungen.
Da der Reeder die Bergungskosten nicht tragen wollte/konnte einigte man sich auf eine geringe Einmalzahlung von 10.000 Dollar und dem Übertragen der Eigentumsrechte des Liberty- Schiffes auf die DARAG. In der Danziger Werft entstand dann aus diesem Wrack, für 4 Millionen Valuta, ein DSR-Schiff - die "Ernst Moritz Arndt".
Liebevoll nannten sie spätere Besatzungen, in Anlehnung aus dem Kürzel EMA, unsere "EMMA"!
c.k.
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