Beirut Oktober 1975. In der Stadt brachen heftigste Gefechte aus. Die höchsten Hotels,die wir sonst immer als begrüssende Silhouette schon von See aus wahrnahmen, waren zu mörderischen Bastionen geworden und brachten Tod und Zerstörung über Beirut.Erst waren es einzelne Scharmützel verfeindeter Gruppierungen,die auch innerhalb des Hafengebietes ihre Kämpfe austrugen,dann kamen schwere Waffen zum Einsatz.Direkt an der Pier fuhren Jeeps und Panzerwagen auf, die hinter bereits gelöschter Ladung Deckung suchten und sich intensivst auf kurzer Entfernung mit Automatikwaffen beschossen.Mal war unser Schiff Niemandsland,dann gehörte der Bugbereich der einen und das Heck der anderen Kampfpartei.
Dann wurde das sich in Hafennähe befindliche 40stöckige "Phoenicia"-Hotel von Kommandoeinheiten besetzt.Ein strategisch wichtiger Punkt, um die östlichen (christlichen) Stadtviertel zu beherrschen.In der 22.Etage dieses Stahlbetongebäudes wurden dort dann MG-Nester eingerichtet. Von hier aus wurden die Hauptstrassen und die gegnerischen Stellungen mit 120er Mörsern,schweren MGs und Raketen tagelang beschossen. Im Gegenzug besetzten die christlichen Milizen mehrere hohe Gebäude in der Umgebung des "Phoenicia",darunter das "Holyday-Inn", dessen Dachterasse dann zum Geschützturm wurde. Es waren hartnäckige Kämpfe,die immer in unterschiedlicher Intensität ausbrachen. Wir an Bord verschanzten uns so gut es ging, hatten Rettungs-und Evakuierungsmaßnahmen vorbereitet und waren zur Beobachtung an halbwegs sicherer Stelle verdammt.
Spätestens seit Oktober 1975 galt für Besatzungen von DSR-Schiffen fast durchgehend Landgangssperre auf Grund der Sicherheitslage im Libanon.Der Grenzverlauf der verfeindeten Milizen begann genau am Hafentor und folgte genau der Strasse die Hein Seemann immer benutzte um zum Zentrum-Platz des Märtyrers- zum Basar oder anderen Sehenswürdigkeiten zu gelangen. Nicht weit entfernt vom Hafentor befand sich der Hauptsitz der Falangisten,der immer heftig umkämpft war.Viele Milizen starteten von hier aus ihre Attacken. Dazwischen befand sich auch das Bürogebäude ,in dem die DSR ihren Reedereivertreter vor Ort hatte. Heute nenne ich das Glück, damals das friedliche und pulsierende Beirut jener Tage vorher noch erlebt zu haben. Bedauerlich für viele andere Seeleute, die dieses nicht mehr so erleben durften. Beirut ist heute wieder aufgebaut und eine schöne Stadt. Die Hafenstadt Beirut aber,wie sie bis 1975 sich dem Seemann präsentierte, ist unwiderbringlich verschwunden.
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