... oder Libanon, die Schweiz des Nahen Ostens, nannte man damals diese Hafenstadt und dieses weltoffene Land. Ich kannte zu diesem Zeitpunkt , bei meiner ersten Reise dorthin, zwar weder Paris noch die Schweiz, aber so hätte es nach meiner Vorstellung dort sein müssen.
Ein levantinisches Volk, als Schmelztiegel verschiedener Kulturen, Ethnien und Religionen. Ein Land, reich an den unterschiedlichsten Sehenswürdigkeiten der Natur und Hinterlassenschaften antiker Welt. Beirut, die Hauptstadt, eine lebendige Metropole. Hier soll aber keine Reisebeschreibung entstehen, sondern ich möchte kurz skizzieren wie innerhalb von 10 Jahren, ein Volk und sein Kulturerbe, bedingt durch fanatisch- religiösen und politischen Machtinteressen zerstört wurde.
Beirut war zu Friedenszeiten für den Seemann ein Einkaufsparadies. Hier in den Souks, bei orientalischen Klängen,Gerüchen und arabischer Geschäftigkeit, lernte der Seemann das "tschinschen" und konnte auch mit chronisch klammen Geldbeutel sich alle seine Bedürfnisse erfüllen. Ooohh, der Goldbasar, so mancher Mittelmeerfahrer brachte sich von hier die Ringe für Verlobung und Hochzeit mit. Sicherheitshalber hatte man in Cypern schon englische Pfund gebunkert, die man in Beirut gewinnbringend tauschen konnte. Andere Geldquellen, wie z.B. das finanziell lukrative Blutspenden waren eher verpönt, wusste man doch, daß diese Konserven auf direktem Wege den US-Truppen im Vietnamkrieg zur Verfügung gestellt wurden.
Die langen Liegezeiten seinerzeit wurden hier umfangreich genutzt. Das "1-Pfund-Kino" war fast Pflicht, Exkursionen auf schmalen Serpentinen hoch ins Libanongebirge und des Antilibanons zu den Tropfsteinhöhlen waren immer willkommene Abwechslungen zum Bordleben. Üblich waren auch Ausflüge nach Baalbek und Byblos. Wer andere Freizeitgestaltung suchte, ging zum Baden, fuhr Wasserski oder Speedboot. Die Stadt bot einfach alles. Den Abend verbrachte man in kleinen Strandlokalen oder anderweitigen Freizeitmöglichkeiten beim Bummeln in dieser faszinierenden Stadt . Ein Hoch auf die libanesische Küche...und der einmaligen Gastfreundschaft in diesem Land.
Mehrfach verweilte ich in jenen Jahren in Beirut und wartete auf mein nächstes Schiff. Diese Zeit nutzte ich dann intensiv um Land und Leute kennenzulernen. Freunde und Bekannte tourten mich durch das Land und Orte wie z.B. Naqoura, Tyros, Zahle, Jounieh, Tripoli, Sidon, Antilyas u.a. reihten sich bei den von mir besuchten Orten ein. Sehr häufig sah man das Elend in den palästinensischen Flüchtlingslagern. Die flotten Rythmen von "Radio Liban" im Autoradio konnten die bedrückenden Gedanken über das Los dieser Menschen nicht verdrängen.
Ab 1976 veränderte sich die Situation in Beirut dramatisch und eskalierte in einen offenen Bürgerkrieg. So richtig ernst nahm ich die Situation persönlich erst wahr, als ich vormittags meine Armbanduhr zur Reparatur brachte und am Nachmittag der Uhrmacher samt Werkstatt Opfer eines Bombenattentats geworden war. Am Abend brachen dann für Tage die erbitterten Kämpfe mit aller Härte aus. Handfeuerwaffen und mittelschwere Waffen, wie Mörser und Panzerbüchsen, hallten mit ihrem Stakkato durchgehend Tag und Nacht durch die Strassenzüge. Die Stadt brannte und nächtliche Leuchtspurgeschosse suchten ihre Ziele aus den höchsten Stockwerken zwischen den Hotels und anderen Hochhäusern.
Der Hafen und die dahinführende Straße dazu gehörten mit zu den stark umkämpften Gebieten, verlief doch die Grenze zwischen den verfeindeten Parteien genau am Hafentor. Unweit davon befand sich der Hauptsitz der Falangisten und man kämpfte an der Pier um die gelöschte Ladung. An der Hafenausfahrt entbrannten erbitterte Kämpfe um die beladenen Trucks. Die Luft war mehr als bleihaltig.....
Den Todesstoß bekam diese Stadt während des Libanonkrieges 1982. Im Sommer wurde der Westteil der Stadt von israelischen Truppen eingeschlossen. Die Merkavapanzer schlossen ihre Zangenbewegung, vom Leuchtturm Ras Beirut kommend, direkt vor der DDR-Botschaft. Wochenlang waren über eine halbe Million Menschen von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten. Grausamer Höhepunkt war dann der 1.August, als die Stadt 11 Stunden ununterbrochen von der israelischen Luftwaffe bombardiert wurde und viele Zivilisten ums Leben kamen. Im September geschahen dann die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Shatilah. Über der Stadt lag wochenlang ein Dunstschleier von Rauch und beißender Qualm erschwerte das Atmen. Hinzu kam ein süßlicher Geruch von Verwesung der Brechreiz hervorrief....... Beirut war zu einem Schreckensort geworden und man war heilfroh ihn zu verlassen. Was Menschen? so alles vollbringen.... .
c.k.
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