Als die Liegezeiten in den Häfen ausserhalb Westeuropas noch mehrere Tage bzw. Wochen dauerten, wurde häufig der Frischproviant an Bord durch direkte Markteinkäufe ergänzt. Das hatte Vorteile gegenüber dem oft überteuerten Einkauf bei dubiosen Schiffshändlern und häufigen Qualitätsmängeln.
Man nahm das Handgeld beim Funker auf (cash to master) und machte sich meist zu dritt auf den Weg zum Souk, Markt oder Basar je nach Landesbezeichnung. Häufig waren der Bootsmann, Storekeeper oder der "Schiffsdoktor" II.NO mit von der Partie, wenn es darum ging den Schiffskoch bei diesem beliebten Unternehmen zu begleiten.
Fast immer wurden diese Bordeinkäufer schon freudig auf dem Basar, in Erwartung eines Grosseinkaufs, begrüsst. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich unsere Anwesenheit und zahlreiche Händler bestürmten uns unter Anpreisung ihrer "Specialprice for you". Wir drehten erst mal unsere Erkundungsrunde und verglichen Preis und Ware. Nebenbei wurden schon mal die orientalischen Gewürze gekauft. Umgeben von diesen Düften aus Tausend und einer Nacht, wurde man dort zum Tee eingeladen. Da saß man entspannt und schattig. Die Händler brachten dann ihre Produkte zu uns und wir stellten unseren Einkauf zusammen. Man nannte den gewünschten Artikel (z.b. Tomaten) und 5-6 Händler kamen dann mit ihren Kisten unterschiedlicher Sorten und Preise, Verkostung inbegriffen. Qual der Wahl.So verfuhr man bei jedem Artikel Obst und Gemüse bis die Anzahl der Kisten schon einen ordentlichen Hügel um uns ergaben. Für Schiffe mit ca. 36 Personen Besatzung kam da schon was zusammen. Deshalb schickten wir zwischendurch schon ab und zu mal einen Eselskarren oder anderes Vehikel beladen in Richtung Schiff. Hier war die Übernahme schon organisiert und der Zoll wurde durch die kleineren Mengen nicht unnötig geweckt. Sonst musste Bakschisch her.
Die Händler des Basars machten ihren Monatsumsatz mit uns und wir kauften fairerweise deshalb bei unterschiedlichen Händlern. So war am Ende jeder zufrieden. Selbstverständlich kauften wir alle Artikel unter Berücksichtigung der hygienischen Vorschriften und so mancher Artikel wurde an Bord extra desinfiziert (Kaliumpermanganat). Blattsalate und Grüne Bohnen z.b ., die mit Tierdung auf den Äckern gezogen wurden, waren wie Frischfleisch und Milchprodukte, für uns tabu.
Gerne hätte dieser Fleischer uns etwas von seiner Ware verkauft. Davon machten wir aber kein Gebrauch, trotz des Sonderangebots seiner tierischen Köstlichkeiten. Für uns Seeleute waren Bullenhoden als Spezialität eben mehr als nur gewöhnungsbedürftig. Normalerweise hätte dieser Fleischer nach unserer Beobachtung drei Arme haben müssen. Es war schon artistisch, wie er ein Fleischklumpen beachtlicher Grösse aus der Rinderhälfte heraus schnitt, fast gleichzeitig in eine Zeitung wickelte und Schwärme schillernder Fliegen durch sein fixes Hantieren dabei vertrieb. Nicht weit genug, denn der nahegelegenste rosige Fleischfetzen war sofort der neue Landeplatz. Zum Glück schlachtete er hier auf dem Basar nicht selbst, so wie es auf anderen orientalischen Basaren damals üblich war.
Nach unserem erfolgreichen Markteinkauf ließen wir an der Uferpromenade den Tag mit gegrilltem Fisch, türkischen Fleischspezialitäten und landestypischen Getränken ausklingen. So mancher Basarhändler kam dort auch vorbei und wir hatten Mühe uns dem Überangebot an gespendeten Raki zu erwehren.
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