Schon bei der Ankunft auf Reede schlug uns immer eine Dunstwolke, gemischt aus hitzigem Staub, Industrieabgasen, allerlei orientalischen Gerüchen, Ausdünstungen und Schadstoffen der verschiedensten Verkehrsmittel entgegen.
Das Wasser in den einzelnen Hafenbecken, mit treibenden Abfällen gefüllt und von einem dicken, durch Fahrrinnen der Dampfschlepper zerrissenen Ölfilm, der in der gleissenden Sonne dampfte, bedeckt. Diesen Hafen konnte man tatsächlich meilenweit riechen- ALEXANDRIA.
Je näher man kam und die Silhouette der Uferfront feste Konturen von Moscheen, Palmen, Industrieanlagen, Hochhäusern , Kuppelbauten und Kränen erkennen liess,desto lauter gestaltete sich die Ankunft in diesem Hafen.
Ein Mix, bestehend aus monotonen Korangesängen ,laut hupenden Fahrzeugen, Sirenen, Schiffstyphons, rangierender Güterzüge und stampfender Geräusche von Dampframmen, Musikfetzen erzeugten einen undefinierbaren Lärm und eine exotische Geräuschkulisse. Ungewohnt und fremdartig für unser Gehör.
Der unbekannte Erdteil Afrika hatte uns empfangen. Wir waren im Orient.
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Ratschläge der erfahrenen Alex-Fahrer machten an Bord die Runde: "Schliesst die Kammern ab, Bulleys dicht, Windhutzen rein, alles was nicht niet-und nagelfest ist zu sichern und zu verstauen."
Ja, wir wurden schon erwartet. Das Empfangskomitee stand schon an der Pier, und leuchtende Augen,lachende Münder mit strahlend weissen Zähnen blinkten uns aus überwiegend dunklen bis schwarzen Gesichtern erwartungsvoll entgegen:
Wild gestikulierend, ein Kauderwelsch aus allen Sprachen der Welt wurde uns zugerufen. Grundtenor: Hallo Hans, nix teuer hier!
Optisch erschienen die Personen recht abenteuerlich gekleidet, als wenn sie gerade aus einem Theaterfundus ausstaffiert waren. Bauschige helle Gewänder, orientalische Phantasieuniformen, Palästinensertücher, den roten Fez auf dem kopf, dunkler Burnus und ehemals schneeweisse Anzüge südlichen Ursprungs, Tropenhelme und Khakiuniformen wie Grosswildjäger machten uns ihre Aufwartung.
Die Gangway war noch nicht ganz heruntergelassen, geschweige denn schon ausreichend gesichert, da begann auch schon mit einer Invasion das Entern des Schiffes. Vorneweg die Offiziellen, Zoll, Emigration, Hafenbehörden und Agentur. Danach folgte die große Menge an Menschen, die Hein Seemann um sein Geld erleichtern wollten: Die aufdringlichen Händler (Tschinscher) mit all ihren Waren, Friseure, Schneider, Geldwechsler, "Kleinkünstler" und andere die an Bord Arbeit suchten. Jede freie Ecke des Schiffes verwandelte sich in einen kleinen arabischen Basar. Kamelhocker, Sitzkissen, die typischen Alex-Taschen, Kupferteller, Schnitzereien, Sandalen, Ansichtskarten, Pflanzen, Obst- es gab einfach alles. Viele dieser Händler waren dem erfahrenen Alex- Fahrer schon von vorhergehenden Reisen namentlich bekannt: Hans aus Hamburg, Gustav, Mister Palme, Ali Achmed aus Berlin und nicht zu vergessen - Sambo.
Durch die Gänge wandelten, Schere klappernd, die Friseure- "Wolle Haar sssneiden". "Galli- Galli", der Zauberer, der unbestätigten Angaben schon im Friedrichstadtpalast aufgetreten war, ließ für Naturalien (Bier und Seife) sowie ein paar Rupien zur Belustigung der Besatzung Küken am Badebecken verschwinden. Ein anderer wiederum, war sehr um die Potenz der Seeleute besorgt und bot diskret und verschwörerisch die "Spanische Fliege" an. Ein farbiges, lärmendes Treiben an Bord, daß der kühle Nordeuropäer eher als extrem aufdringlich empfand.
Wir trieben unsere Spässe mit ihnen und allerhand Jux. Hauptanlaufstelle war meist die Kombüse, "Bakschisch" konnte man nicht mehr hören, oder das Hospital, von dem aus unser Schiffsdoktor, der II.NO, den schlangestehenden "Migränepatienten" der Löschgang harmlose Salztabletten verordnete und so an Güte einem Albert Schweitzer Konkurrenz machte und im Ansehen Arabiens stieg.
Alle Orte an Bord waren in Beschlag, Niedergänge, Aufbauten, das Deck, sogar unser kleines Schwimmbassin. Flüchten in die schmalen Kammern war bei diesen Temperaturen auf einem unklimatisierten Alttonnage- Schiff undenkbar, waren doch die Bulleys geschlossen, land- wie seeseitig. Von Land hätten die Hafenarbeiter ihre Köpfe in die Bulleys gesteckt, schlimmer waren aber die von allem besitzergreifenden Hände !!, von See verfolgten uns schon seit Reede zahlreiche, kleine buntbemalte Boote, von denen die Händler lautstark ihre Ware wie auf einem Basar anpriesen...
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Eine Kolonne von Arbeitssuchenden aller Altersklassen hielt uns bündelweise Zettel mit Empfehlungen von anderen Schiffen über ihre Vertrauenswürdigkeit unter die Nase und suchten so einen kurzfristigen Job an Bord der ALTMARK während der Hafenliegezeit zu erwerben. Da es aber meist Analphabeten waren, kam es schon mal vor, dass diese Empfehlung aussagte: "Vorsicht, klaut wie ein Rabe",beglaubigt mit Schiffssiegel und Kapitänsunterschrift. Der Ärmste wunderte sich dann, warum man keine Verwendung für den Betreffenden an Bord hatte.
Jedes Besatzungsmitglied hatte einen Schwarm mit verschiedensten Absichten im Gefolge, es wurde unter dem Motto "alles billig, Hans, ich korrekt, nix Betrüger" getschinscht und es ging zu wie auf einem orientalischen Basar, wovon man sich auch später praktisch überzeugen konnte.
Der Kapitän als Oberwohltäter war froh,wenn er die Einklarierung hinter sich hatte und sich alle offiziellen wichtigen Leute-oder die sich das anmaßten-mit german beer,Whisky und Zigaretten(man denke an den Lotsengriff-5 stück auf einmal) abgefertigt hatte.Der RP-Fond(Repräsentationsfond) schnellte in diesem Hafen stets immens in die Höhe.
"Jellah Habibi, Malisch und Inschallah", hörte man aus allen Ecken. Überall ertönte das Aufmerksamkeit erweckende Zischen "zsst,zzst", gepaart mit einem verschwörerischen Blick und dem magischen Wort "Bakschisch".
Mehrheitlich waren es aber arme Kerle, bemitleidenswerte Menschen, die alle Möglichkeiten ausschöpfen mussten, ihre meist an Kindern zahlreiche Familie durch das Leben zu bringen. Die Konkurrenz war in diesen Jahren besonders hart, war doch der Suezkanal geschlossen und alle, die ehemals in Port Said, Suez oder Ismaelija ihren Lebensunterhalt bestritten, kämpften jetzt im Haupthafen Ägyptens, Alexandria, um das nackte Überleben. Die Chancen dazu waren aber auch hier sehr gering. Wenn man dann besonders vom Schicksal betroffene Menschen sah, die halb erblindet oder verkrüppelt um Almosen kämpften, kaufte man ihnen schon aus Mitleid ein paar Mandarinen oder Erdnüsse ab.
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Abends war man froh, dass man von Bord kam. Man suchte- auch das war schwierig- ein Plätzchen zur Erholung vom Tagesstress. Zu jener Zeit, wurde zum Sonnenuntergang eine Minensperre vor das Hafentor gezogen und das Hafengebiet, vor Furcht und schlechten Erfahrungen mit israelischen Kampfschwimmern, die ganze Nacht in zeitlichen Abständen mit kleinen Wasserbomben belegt. Das Schiff erzitterte dann bis in alle Spanten und es dröhnte wie in einer Konservendose. An Schlaf war kaum zu denken.Der Schlummertrunk half da auch nur kurzfristig.
Den Hafen "Alex" erlebte ich über 30mal, während verschiedener Zeitabschnitte und mit anderen Schiffen . Liegezeiten von 5 Tagen bis 6 Wochen machten diesen Hafen zum idealen Ausgangspunkt vielfältiger Exkursionen in das Landesinnere ,zu zahlreichen geschichtsträchtigen Stätten und der reichhaltigen orientalischen Kultur.
Land und Leute kennenlernen, hier konnte ich das aktiv mit meinem Beruf verwirklichen!
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