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Alexandria - Eindrücke und Erinnerungen

Schon  bei  der  Ankunft  auf  Reede  schlug  uns  immer  eine  Dunstwolke, gemischt  aus  hitzigem  Staub, Industrieabgasen, allerlei  orientalischen  Gerüchen, Ausdünstungen  und  Schadstoffen  der  verschiedensten  Verkehrsmittel  entgegen.

Das  Wasser  in  den einzelnen Hafenbecken, mit  treibenden  Abfällen  gefüllt  und  von  einem  dicken, durch  Fahrrinnen  der  Dampfschlepper  zerrissenen  Ölfilm, der in  der  gleissenden  Sonne  dampfte,  bedeckt. Diesen Hafen konnte  man  tatsächlich  meilenweit  riechen- ALEXANDRIA.

Je  näher  man  kam  und  die  Silhouette  der Uferfront  feste  Konturen  von Moscheen, Palmen, Industrieanlagen, Hochhäusern , Kuppelbauten  und  Kränen  erkennen  liess,desto  lauter  gestaltete  sich  die  Ankunft  in  diesem  Hafen.

Ein  Mix, bestehend  aus  monotonen  Korangesängen ,laut  hupenden  Fahrzeugen, Sirenen, Schiffstyphons, rangierender  Güterzüge  und  stampfender  Geräusche  von  Dampframmen, Musikfetzen  erzeugten  einen  undefinierbaren  Lärm  und  eine exotische  Geräuschkulisse. Ungewohnt  und  fremdartig  für  unser Gehör.

Der  unbekannte  Erdteil  Afrika  hatte  uns  empfangen. Wir  waren  im  Orient.

Der Empfang

Abendpanorama Alexandria 1972

Ratschläge der  erfahrenen  Alex-Fahrer  machten  an  Bord  die  Runde: "Schliesst die  Kammern  ab, Bulleys  dicht, Windhutzen  rein, alles  was  nicht  niet-und nagelfest  ist zu  sichern  und zu  verstauen."

Ja, wir  wurden  schon  erwartet. Das  Empfangskomitee  stand  schon  an  der  Pier, und leuchtende  Augen,lachende  Münder  mit  strahlend  weissen Zähnen  blinkten  uns  aus  überwiegend  dunklen  bis  schwarzen  Gesichtern  erwartungsvoll  entgegen:

Wild  gestikulierend, ein  Kauderwelsch  aus  allen  Sprachen  der  Welt  wurde  uns  zugerufen. Grundtenor:  Hallo  Hans, nix  teuer  hier!

Optisch  erschienen  die  Personen  recht  abenteuerlich  gekleidet, als  wenn sie gerade  aus  einem  Theaterfundus  ausstaffiert waren. Bauschige  helle  Gewänder, orientalische  Phantasieuniformen, Palästinensertücher, den  roten  Fez auf  dem  kopf, dunkler Burnus  und  ehemals  schneeweisse Anzüge  südlichen  Ursprungs, Tropenhelme  und  Khakiuniformen  wie Grosswildjäger  machten  uns  ihre  Aufwartung.

Der Ansturm beginnt

Die  Gangway  war  noch  nicht  ganz  heruntergelassen, geschweige  denn  schon  ausreichend  gesichert, da  begann  auch  schon  mit  einer  Invasion  das  Entern  des  Schiffes. Vorneweg  die  Offiziellen, Zoll, Emigration, Hafenbehörden  und  Agentur. Danach folgte  die  große  Menge  an  Menschen, die  Hein  Seemann  um  sein  Geld  erleichtern  wollten: Die  aufdringlichen  Händler (Tschinscher)  mit  all  ihren  Waren, Friseure, Schneider, Geldwechsler, "Kleinkünstler"  und  andere  die  an  Bord  Arbeit  suchten. Jede  freie  Ecke  des  Schiffes  verwandelte  sich  in  einen  kleinen  arabischen  Basar. Kamelhocker, Sitzkissen, die  typischen  Alex-Taschen, Kupferteller, Schnitzereien, Sandalen, Ansichtskarten, Pflanzen, Obst- es  gab  einfach  alles. Viele  dieser  Händler  waren  dem  erfahrenen  Alex- Fahrer  schon  von  vorhergehenden  Reisen  namentlich  bekannt: Hans  aus  Hamburg, Gustav, Mister  Palme, Ali  Achmed  aus  Berlin  und  nicht  zu  vergessen - Sambo.

Durch  die  Gänge  wandelten, Schere  klappernd, die  Friseure- "Wolle  Haar  sssneiden". "Galli- Galli", der  Zauberer, der  unbestätigten  Angaben  schon  im  Friedrichstadtpalast  aufgetreten  war, ließ  für  Naturalien (Bier  und  Seife)  sowie  ein  paar  Rupien  zur  Belustigung  der  Besatzung  Küken  am  Badebecken  verschwinden. Ein  anderer  wiederum, war  sehr  um  die  Potenz  der  Seeleute  besorgt  und  bot  diskret  und  verschwörerisch  die  "Spanische  Fliege" an. Ein  farbiges, lärmendes  Treiben  an  Bord, daß  der  kühle   Nordeuropäer  eher  als  extrem  aufdringlich  empfand.
Wir  trieben  unsere  Spässe  mit  ihnen  und  allerhand  Jux. Hauptanlaufstelle  war  meist  die  Kombüse, "Bakschisch"  konnte  man  nicht  mehr  hören, oder  das  Hospital, von  dem  aus  unser  Schiffsdoktor, der  II.NO, den  schlangestehenden  "Migränepatienten"  der  Löschgang  harmlose  Salztabletten  verordnete  und  so  an  Güte  einem  Albert  Schweitzer  Konkurrenz  machte  und  im  Ansehen  Arabiens  stieg.
Alle  Orte  an  Bord  waren  in  Beschlag, Niedergänge, Aufbauten, das  Deck, sogar  unser  kleines  Schwimmbassin. Flüchten  in  die  schmalen   Kammern war  bei  diesen  Temperaturen  auf  einem  unklimatisierten  Alttonnage- Schiff  undenkbar, waren  doch  die  Bulleys  geschlossen, land- wie  seeseitig. Von  Land  hätten  die  Hafenarbeiter  ihre  Köpfe  in  die  Bulleys  gesteckt, schlimmer  waren  aber  die  von  allem  besitzergreifenden  Hände !!, von  See  verfolgten  uns  schon  seit  Reede  zahlreiche, kleine  buntbemalte  Boote, von  denen  die  Händler  lautstark  ihre Ware  wie  auf  einem  Basar  anpriesen...

 

Der Zauberer Galli-Galli an Bord der Altmark
Händler auf dem Wasser

Eine  Kolonne  von  Arbeitssuchenden  aller  Altersklassen  hielt  uns  bündelweise  Zettel  mit  Empfehlungen  von  anderen  Schiffen  über  ihre  Vertrauenswürdigkeit   unter  die  Nase  und  suchten  so  einen  kurzfristigen  Job  an Bord  der  ALTMARK  während  der  Hafenliegezeit  zu  erwerben. Da  es  aber  meist  Analphabeten  waren, kam  es  schon  mal  vor, dass  diese  Empfehlung  aussagte: "Vorsicht, klaut  wie  ein  Rabe",beglaubigt  mit  Schiffssiegel  und Kapitänsunterschrift. Der  Ärmste wunderte  sich dann, warum  man  keine  Verwendung  für  den  Betreffenden an Bord  hatte.

Jedes  Besatzungsmitglied  hatte  einen  Schwarm  mit  verschiedensten  Absichten  im  Gefolge, es  wurde  unter  dem  Motto "alles  billig, Hans, ich  korrekt, nix Betrüger"  getschinscht  und  es  ging  zu  wie  auf  einem  orientalischen Basar, wovon  man  sich  auch  später  praktisch  überzeugen  konnte.

Der Kapitän als Oberwohltäter war froh,wenn er die Einklarierung hinter sich hatte und sich alle offiziellen wichtigen Leute-oder die sich das anmaßten-mit german beer,Whisky und Zigaretten(man denke an den Lotsengriff-5 stück auf einmal) abgefertigt hatte.Der RP-Fond(Repräsentationsfond) schnellte in diesem Hafen stets immens in die Höhe.

"Jellah  Habibi, Malisch und Inschallah", hörte  man  aus  allen  Ecken. Überall ertönte  das  Aufmerksamkeit  erweckende  Zischen "zsst,zzst", gepaart  mit  einem verschwörerischen  Blick  und  dem  magischen  Wort  "Bakschisch".

Mehrheitlich  waren  es  aber  arme Kerle, bemitleidenswerte  Menschen, die  alle  Möglichkeiten  ausschöpfen  mussten, ihre  meist  an  Kindern  zahlreiche  Familie  durch  das  Leben  zu  bringen. Die  Konkurrenz  war  in  diesen  Jahren  besonders hart, war  doch  der  Suezkanal  geschlossen  und  alle, die  ehemals  in  Port  Said, Suez  oder  Ismaelija  ihren  Lebensunterhalt  bestritten, kämpften  jetzt  im  Haupthafen  Ägyptens, Alexandria, um  das nackte  Überleben. Die  Chancen  dazu  waren  aber  auch  hier  sehr  gering. Wenn  man  dann  besonders  vom Schicksal  betroffene  Menschen  sah, die  halb  erblindet  oder  verkrüppelt  um  Almosen  kämpften, kaufte  man  ihnen  schon  aus  Mitleid  ein paar  Mandarinen  oder Erdnüsse ab.

Jeder wollte was verkaufen:Hans aus Hamburg,Gustav,Ali Baba-hier Mister Palme der Pflanzenhändler

Abends  war  man  froh, dass  man  von  Bord  kam. Man  suchte- auch  das  war  schwierig- ein  Plätzchen zur  Erholung  vom  Tagesstress. Zu  jener  Zeit, wurde  zum  Sonnenuntergang  eine  Minensperre  vor  das  Hafentor gezogen  und  das  Hafengebiet, vor  Furcht  und  schlechten  Erfahrungen  mit   israelischen  Kampfschwimmern, die  ganze  Nacht in zeitlichen  Abständen  mit  kleinen  Wasserbomben  belegt. Das  Schiff  erzitterte  dann  bis  in  alle  Spanten  und  es dröhnte  wie  in  einer  Konservendose. An  Schlaf  war  kaum  zu  denken.Der Schlummertrunk  half  da  auch  nur  kurzfristig.

Den  Hafen  "Alex" erlebte  ich  über  30mal, während  verschiedener  Zeitabschnitte  und  mit  anderen Schiffen . Liegezeiten  von  5 Tagen  bis  6 Wochen  machten  diesen  Hafen  zum  idealen  Ausgangspunkt  vielfältiger  Exkursionen  in  das  Landesinnere ,zu  zahlreichen  geschichtsträchtigen  Stätten und  der  reichhaltigen  orientalischen  Kultur.

        Land  und  Leute  kennenlernen, hier  konnte  ich  das  aktiv mit meinem Beruf verwirklichen!

Hafeneinfahrt Alexandria mit Minensperre
Alexandria-auf Innenreede
1972-der Autor vor dem Nationalmuseum in Kairo

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