MERSIN- einer der ältesten Hafenstädte im Mittelmeerraum. Schon bei den Griechen Handelsstadt, heute bedeutender türkischer Mittelmeerhafen , der ständig erweitert und modernisiert wird. Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war dieser Hafen und die Stadt Mersin noch recht beschaulich und übersichtlich. Auf uns Levantefahrer übte dieser Hafen einen besonderen Reiz aus.
Mersin, das bedeutete meist längere Liegezeiten und Exkursionen in das Landesinnere zu den zahlreichen ärchäologischen Stätten und Naturwundern. Gastfreundliche Menschen, wie in anderen türkischen Häfen auch, die uns freundlich kontaktierten und wertvolle Tipps und Hinweise über Land und Leute gaben. Es kam vor,dass man von der Strasse weg, plötzlich Gast bei einer Hochzeitsfeier war oder in irgendeinem Strassenlokal eingeladen wurde, nur weil ein Angehöriger der Verwandschaft in Frankfurt/Main oder Karlsruhe als Gastarbeiter sein Geld verdiente. Man war in der Türkei sehr deutschfreundlich. Das war zu einer Zeit, als man für 5-6 DM (umgerechnet in türk. Lira) sich satt essen konnte und seine Getränke dazu hatte.
Efespils, Raki, Rotwein gab es auch immer günstig in einem von uns regelmässig frequentierten Fischlokal an der Uferpromenade. Hier zog immer ein Teil der Besatzung Abends hin. Der Wirt kannte uns schon, der fangfrische Fisch wurde dort individuell ausgewählt und zubereitet. Häufiger schaute ich mir die Zubereitung dabei direkt in der Küche an und die Specialdrinks des Maitre Cuisine dabei liessen uns eine gemeinsame Muttersprache finden....
Eines Abends, wir saßen noch zu dritt mit dem Wirt zusammen, machte er uns mit seinem ganzen Stolz bekannt, seiner etwa 12-13 jährigen Tochter. Er stellte sein Dauerbetrieb- Radio und das ständig flimmernde Fernsehgerät ganz theatralisch ab und holte aus einem Schrank eine Geige hervor und gab sie dem Mädchen. Hinten in der Küche erstarben plötzlich ebenfalls die Geräusche und sein Küchenpersonal und die Kellner standen ehrfurchtsvoll mit leuchtenden Augen in der Tür des Personalbereichs.
Das Mädchen spielte auf dieser Geige mit Anmut und Perfektion klassische Musikstücke. Man konnte dabei Gänsehaut bekommen und wir waren überwältigt. Verschämt verzog sich das Mädchen, als wir klatschten, in die Arme des Vaters zurück. Zwanzig Minuten Konzert live. Als wir später zahlten merkte man, dass der Wirt/Vater noch was auf dem Herzen hatte. Nachdem er erst etwas herum druckste, erfuhren wir dann, dass er keine passenden Geigensaiten für seine Tochter in Mersin bekommen konnte. Ich versprach ihm, auf der nächsten Reise ein paar Sätze davon mitzubringen, was ich auch tat. Nun bekamen wir häufiger ein Ständchen vor Ort. 1979 änderte sich mein Fahrtgebiet und wir verloren uns aus den Augen.
1985 war ich erst nach langer Zeit wieder in Mersin. Nach Wiedersehensfreude in dem noch existierenden Fischlokal, holte der Wirt wortlos einen Videorecorder hervor und legte eine Filmkassette ein: Ein türkisches Sinfonieorchester, bei den Streichinstrumenten eine junge Frau mit Geige, allein unter vielen Männern. Sie spielte u.a. auch das Solo,welches wir schon 1972 hier vor Ort hörten.Der Wirt und ich schauten uns nur lächelnd an...
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Für uns Levantefahrer war Mersin ein beliebter Einkaufsort. Fast jeder nutzte hier die preisgünstige Gelegenheit sich mit Nappalederjacken, Wildledermänteln und anderen Lammfellerzeugnissen einzudecken. Man musste zwar auf Qualität achten, konnte sich spezielle Wünsche aber auch individuell anfertigen lassen. Fast jeder einheimische Schneider hatte als Muster einen aktuellen Warenhauskatalog aus Deutschland zur Hand. Die türkische Lederjacke, eine Alex-Tasche und Jeans mit leichtem Schlag ,so erkannte man seinerzeit den Mittelmeerfahrer in der Heimat....
Ein kleiner Junge belauschte aufmerksam auf dem Basar unsere Gespräche. Dann stürzte er ganz aufgeregt zu seiner Mutter, der das sichtlich peinlich war, mit dem Ausruf:
"Mama, Mama, da sind Deutsche"
Dann erzählte er stolz: "Mein Papa ist Taxifahrer in Mannheim"
Munter plapperte er auf uns ein und wich, ohne dabei aufdringlich zu sein, uns während des Basareinkaufs nicht mehr von der Seite. Er ließ alle daran teilhaben, zum Leidwesen seiner Mutter, welch neue Freunde er gewonnen hat. Mit Grusserweisung (siehe Bild oben) verabschiedete er sich dann später.
Wir frequentierten damals zahlreiche türkische Häfen und ähnliche Erlebnisse ereigneten sich in diesem Land häufiger.
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Wie in vielen anderen Hafenstädten der Welt auch, gab es damals in Mersin eine Örtlichkeit zur käuflichen Liebe. Sicherlich illegal, verboten und im Widerspruch zur islamisch geprägten Bevölkerung. Gebrauch machten davon hier aber garantiert nur Ortsansässige, obwohl Taxifahrer intensiv dafür Werbung machten. Wir schauten uns das Treiben zum Tagesausklang,von einem Strassencafe aus, dort oft belustigt an.
Das Ritual war immer gleich: In den Abendstunden erleuchtete eine rote Lampe ein kleines Erkerfensterchen und ein reges Getrappel, kombiniert mit geheimnisvollen Blicken der männlichen Bewohner , brachte diese tagsüber unscheinbare Gasse zum Erleben. Das Bäuerchen versteckte unweit sein Eselchen, die Fahrräder der Arbeiter säumten die Gasse und die Schlipsträger parkten ihre Autos diskret etwas weiter vom mysteriösen Ort. Dann bildete sich vor und in einem Hofgang eine Warteschlange von ca. 10-15 Kunden. Diese hatte dann so knapp 2 Stunden Bestand, dann löste sich der Spuk auf. Nicht mal 10 min. dauerte in etwa die dortige Kundenbetreuung. Nach Ablauf der 2 Stunden erlosch die rote Lampe wieder, das Treiben in der Gasse erstarb urplötzlich und dann verließ eine e i n z i g e, sehr füllige Dirne mit unidentifizierbarem Alter, ihre Wirkungsstätte....
Na ja, unser Ziel war es auch immer, die Liegezeiten der Schiffe in den Häfen zu verkürzen, um die Einnahmen zu erhöhen.
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