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Erinnerungen-Hafenstadt Mersin/Türkei 1972

MERSIN- einer  der  ältesten  Hafenstädte  im  Mittelmeerraum. Schon  bei  den  Griechen  Handelsstadt, heute  bedeutender  türkischer  Mittelmeerhafen , der  ständig  erweitert  und  modernisiert  wird. Anfang  der  siebziger  Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  war  dieser  Hafen  und  die  Stadt  Mersin  noch  recht  beschaulich  und  übersichtlich. Auf  uns  Levantefahrer  übte  dieser  Hafen  einen  besonderen  Reiz  aus.

Mersin, das  bedeutete  meist  längere  Liegezeiten  und  Exkursionen  in  das  Landesinnere  zu  den  zahlreichen  ärchäologischen  Stätten  und  Naturwundern. Gastfreundliche  Menschen, wie  in  anderen  türkischen  Häfen auch, die  uns  freundlich  kontaktierten  und  wertvolle  Tipps  und  Hinweise  über  Land  und  Leute  gaben. Es  kam  vor,dass  man  von  der  Strasse  weg, plötzlich  Gast  bei  einer  Hochzeitsfeier  war  oder  in  irgendeinem  Strassenlokal  eingeladen  wurde, nur  weil  ein  Angehöriger  der  Verwandschaft  in  Frankfurt/Main  oder  Karlsruhe  als  Gastarbeiter   sein  Geld  verdiente. Man  war  in  der  Türkei  sehr  deutschfreundlich. Das  war  zu  einer  Zeit, als  man  für 5-6 DM (umgerechnet  in türk. Lira)  sich  satt  essen  konnte  und  seine  Getränke  dazu  hatte.

Efespils, Raki, Rotwein  gab  es  auch  immer  günstig  in  einem  von  uns  regelmässig  frequentierten  Fischlokal  an  der  Uferpromenade. Hier  zog  immer  ein  Teil  der  Besatzung  Abends  hin. Der  Wirt  kannte  uns  schon, der  fangfrische  Fisch  wurde  dort   individuell  ausgewählt  und  zubereitet. Häufiger  schaute  ich  mir  die  Zubereitung  dabei  direkt  in  der  Küche  an  und  die  Specialdrinks  des  Maitre  Cuisine  dabei  liessen  uns  eine  gemeinsame  Muttersprache  finden....

Eines  Abends, wir  saßen  noch  zu  dritt  mit  dem  Wirt  zusammen, machte  er  uns mit  seinem  ganzen  Stolz  bekannt, seiner  etwa  12-13  jährigen  Tochter. Er  stellte  sein  Dauerbetrieb- Radio  und  das  ständig  flimmernde  Fernsehgerät  ganz  theatralisch  ab   und  holte  aus  einem  Schrank  eine  Geige  hervor  und   gab  sie  dem  Mädchen. Hinten  in  der  Küche  erstarben  plötzlich  ebenfalls  die  Geräusche  und  sein  Küchenpersonal  und  die  Kellner  standen  ehrfurchtsvoll  mit  leuchtenden  Augen  in  der  Tür  des  Personalbereichs.

Das  Mädchen  spielte  auf  dieser  Geige  mit  Anmut  und  Perfektion  klassische  Musikstücke. Man  konnte  dabei  Gänsehaut  bekommen  und  wir  waren  überwältigt. Verschämt  verzog  sich  das  Mädchen, als  wir  klatschten,  in  die  Arme  des  Vaters  zurück. Zwanzig  Minuten  Konzert  live. Als  wir  später  zahlten  merkte  man, dass  der Wirt/Vater  noch  was  auf  dem  Herzen  hatte. Nachdem  er  erst  etwas  herum  druckste, erfuhren  wir dann, dass  er  keine  passenden Geigensaiten  für  seine  Tochter  in  Mersin  bekommen  konnte. Ich  versprach  ihm, auf  der  nächsten  Reise  ein  paar  Sätze  davon  mitzubringen, was  ich  auch  tat. Nun  bekamen  wir  häufiger  ein  Ständchen  vor  Ort. 1979  änderte  sich  mein Fahrtgebiet  und  wir verloren  uns  aus  den  Augen.

1985  war  ich  erst   nach  langer  Zeit  wieder   in Mersin. Nach  Wiedersehensfreude  in  dem  noch  existierenden  Fischlokal, holte  der  Wirt  wortlos  einen  Videorecorder  hervor  und  legte  eine  Filmkassette  ein:  Ein  türkisches  Sinfonieorchester, bei  den  Streichinstrumenten  eine  junge  Frau  mit  Geige, allein  unter  vielen  Männern. Sie  spielte  u.a.  auch das  Solo,welches  wir  schon 1972  hier  vor Ort  hörten.Der  Wirt  und  ich  schauten uns  nur  lächelnd  an...

Auf dem Weg zum Basar- Droschke statt Taxi
Schuhgeschäft
Schuhputzer

Für  uns  Levantefahrer  war  Mersin  ein  beliebter  Einkaufsort. Fast  jeder  nutzte  hier  die  preisgünstige  Gelegenheit  sich  mit  Nappalederjacken, Wildledermänteln  und  anderen  Lammfellerzeugnissen  einzudecken. Man  musste  zwar  auf  Qualität  achten, konnte  sich  spezielle  Wünsche  aber  auch  individuell  anfertigen  lassen. Fast  jeder  einheimische  Schneider  hatte  als  Muster  einen  aktuellen  Warenhauskatalog  aus  Deutschland   zur  Hand. Die türkische  Lederjacke,  eine  Alex-Tasche  und  Jeans  mit leichtem  Schlag ,so erkannte  man  seinerzeit  den  Mittelmeerfahrer  in  der  Heimat....

Episode

Ein  kleiner  Junge  belauschte  aufmerksam  auf  dem  Basar  unsere  Gespräche. Dann  stürzte  er  ganz  aufgeregt  zu  seiner  Mutter, der  das  sichtlich  peinlich  war, mit  dem  Ausruf:

"Mama, Mama, da  sind  Deutsche"

Dann  erzählte  er  stolz: "Mein  Papa  ist  Taxifahrer  in  Mannheim"

Munter  plapperte  er  auf  uns  ein  und  wich,  ohne  dabei  aufdringlich  zu  sein, uns  während  des  Basareinkaufs  nicht  mehr  von  der  Seite. Er  ließ  alle  daran  teilhaben, zum  Leidwesen  seiner  Mutter, welch  neue  Freunde  er  gewonnen  hat. Mit  Grusserweisung (siehe Bild oben)  verabschiedete  er  sich  dann  später.

Wir  frequentierten  damals  zahlreiche  türkische  Häfen und ähnliche  Erlebnisse  ereigneten  sich  in  diesem  Land  häufiger.

Haupteinkaufsstrasse
Haupteinkaufsstrasse

Wie  in  vielen  anderen  Hafenstädten  der  Welt  auch, gab  es  damals  in  Mersin  eine  Örtlichkeit  zur  käuflichen  Liebe. Sicherlich  illegal, verboten  und  im  Widerspruch  zur  islamisch  geprägten  Bevölkerung. Gebrauch  machten  davon  hier  aber  garantiert  nur  Ortsansässige, obwohl  Taxifahrer  intensiv  dafür  Werbung  machten. Wir  schauten  uns  das  Treiben  zum  Tagesausklang,von einem Strassencafe aus, dort oft  belustigt  an.

Das  Ritual  war  immer  gleich:  In  den  Abendstunden  erleuchtete  eine  rote  Lampe  ein  kleines  Erkerfensterchen  und  ein  reges  Getrappel, kombiniert  mit  geheimnisvollen  Blicken  der  männlichen  Bewohner , brachte  diese  tagsüber  unscheinbare  Gasse  zum  Erleben. Das  Bäuerchen  versteckte  unweit  sein  Eselchen, die  Fahrräder  der  Arbeiter  säumten  die  Gasse  und  die  Schlipsträger  parkten  ihre  Autos  diskret  etwas  weiter  vom  mysteriösen  Ort. Dann  bildete  sich  vor  und  in  einem  Hofgang  eine  Warteschlange  von  ca. 10-15  Kunden. Diese  hatte  dann  so  knapp  2  Stunden  Bestand, dann  löste  sich  der  Spuk  auf. Nicht mal  10 min.  dauerte in   etwa  die  dortige   Kundenbetreuung.  Nach   Ablauf   der  2  Stunden  erlosch  die  rote  Lampe  wieder, das  Treiben  in  der  Gasse  erstarb  urplötzlich  und  dann  verließ  eine  e i n z i g e,  sehr  füllige  Dirne  mit  unidentifizierbarem  Alter,  ihre  Wirkungsstätte....

Na  ja, unser  Ziel  war  es  auch  immer,  die  Liegezeiten  der  Schiffe  in  den  Häfen  zu  verkürzen,  um  die  Einnahmen  zu erhöhen.


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